Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht / Az.: D-2797/2010

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Angesichts der genannten Informationen zur allgemeinen Situation von Asylsuchenden in Malta ist festzuhalten, dass die Vermutung, dieses Land beachte die den betroffenen Personen im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zustehenden Grundrechte in angemessener Weise, nicht ohne weiteres aufrechterhalten werden kann. Zwar ist damit – auf der Grundlage der heute vorliegenden Erkenntnisse – noch nicht gesagt, dass die festgestellten Mängel in Malta für Asylsuchende generell die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung mit sich bringen. Jedoch ist im Einzelfall die Frage zu stellen, ob die betroffene Person einer Kategorie zuzurechnen ist, deren Angehörige aufgrund ihrer
spezifischen Verletzlichkeit im Falle einer Überstellung nach Malta Gefahr laufen würden, wegen der dortigen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen eine Verletzung ihrer Grundrechte zu erleiden […]. Im vorliegenden Fall erweist sich jedoch ein anderer Aspekt als entscheidwesentlich. Aus der E-Mail der zuständigen maltesischen Behörde vom 9. März 2010 an das BFM (mit welchem das Einverständnis mit der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers erklärt wurde) geht hervor, dass Malta beabsichtigt, den Beschwerdeführer nach dem zeitlichen Verfall seines Schengen-Visums in seinen Heimatstaat Libyen zurückzuschaffen. (Im Wortlaut der genannten Mitteilung: „It would be highly appreciated if you could send the passport through an escort as we require the passport to repatriate the alien due to the expired visa.“) Es ist als offensichtlich zu erachten, dass eine derartige Handlungsweise der maltesischen Behörden einer krassen Missachtung der einschlägigen völkerrechtlichen Verpflichtungen (namentlich des Non-refoulement-Gebots; Art. 33 FK, Art. 3 EMRK, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105); vgl. auch Art. 25 Abs. 2 und 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV, [SR 101]) wie auch der geltenden Bestimmungen des Dublin-Regimes (welchen Malta als Mitgliedstaat der Europäischen Union unterworfen ist) gleichkäme. Zugleich ist angesichts der dokumentierten Rechtsverstösse der maltesischen Behörden, insbesondere der Hinweise auf in der Vergangenheit bereits erfolgte völkerrechtswidrige Rückschaffungen von Asylsuchenden in Drittstaaten (vgl. E. 7.2.2), keineswegs auszuschliessen,
dass dem Beschwerdeführer eine solche Behandlung auch tatsächlich drohen würde. Vielmehr ist nach dem Gesagten im vorliegenden Fall nicht ausreichend Gewähr dafür gegeben, dass der Beschwerdeführer bei einem Vollzug der Wegweisung nach Malta seitens der dortigen Behörden mit einer verfahrensmässigen Behandlung im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Dublin-Regimes rechnen könnte.