Archiv der Kategorie: Bezugnahme auf Dublin-Aussetzung für Syrer

VG Bayreuth 3. Kammer / Az.: B 3 S 15.50241

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Die nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgebliche Sach-  und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung lässt angesichts der aktuellen Entwicklungen und jüngsten Entscheidungen der Bundesrepublik Deutschland (z.B. zeitweilige Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge in Ungarn bzw. faktische Aussetzung des Dublin-Verfahrens für Syrer) keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu. Derzeit lässt sich nicht einschätzen, inwieweit diese Entscheidungen Rückschlüsse auf die bestehenden Prüfungsmaßstäbe im Dublin-Verfahren zulassen und ob noch eindeutige Entscheidungsmaßstäbe auch im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Asylbewerber hinsichtlich einer beabsichtigten Rückführung nach Ungarn bestehen.

VG Kassel 5. Kammer / AZ.: 5 L 1660/15.KS.A / Ungarn

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Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. August 2015 wird angesichts der gegenwärtigen Verfahrenspraxis des Bundesamtes zur Aussetzung des Dublin-Verfahrens für syrische Staatsangehörige angeordnet.

 

VG Magdeburg 9. Kammer / 9 B 713/15 MD / Ungarn

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[I]m anhängigen gerichtlichen Verfahren hat sich eine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben. Nach der neuerlichen Richtlinie des Bundesamtes vom August 2015 werden Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitestgehend faktisch nicht weiter betrieben. Danach wird auch bei „vollziehbaren Abschiebungsandrohungen“ und „angestoßenen Überstellungen“ das „Dublin-Verfahren abgebrochen“ und das „Selbsteintrittsrecht sofort ausgeübt“ und die „Überstellung storniert“. Warum dies im vorliegenden Fall nicht geschieht, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts. In einer E-Mail der Antragsgegnerin an die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers heißt es dazu, „dass das Verfahren des von Ihnen vertretenen jungen Syrers so weit vorangeschritten ist, dass die Überstellung durchgeführt wird.“ Dies stellt keine ordnungsgemäße Ermessensausübung bzw. Gleichbehandlung dar, worauf der Antragsteller einen Anspruch hat. Auch wenn es sich bei der „Richtlinie“ bzw. „Leitlinie“ um keine gesetzliche Regelung im Sinne eines formellen Gesetzes handelt, hat sich die Beklagte damit im Sinne einer Verwaltungsvorschrift eine (selbst)bindende Regelung gegeben, die gerade eine gleichmäßige Anwendung und damit eine Vereinfachung der Verfahren garantieren soll. Vom rechtlichen Regelungsgehalt der „Leitlinie“ im Sinne eines einklagbaren Anspruchs abgesehen, hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch aufgrund veränderter Umstände. Zum Zeitpunkt der jetzigen gerichtlichen Entscheidung haben sich die politischen Ereignisse in Ungarn im Zusammenhang mit dem Dublin-Abkommen überschlagen. Wie die Kammer bereits in ständiger Rechtsprechung ausführt, verhält sich Ungarn nicht unionskonform und es ist anzunehmen, dass Ungarn wegen der Inhaftierung von Asylbewerbern und den Mängeln in den Unterbringungen systemische Mängel im Asylsystem aufweist. Zudem hat Ungarn unlängst Verschärfungen des nationalen Asylrechts beschlossen. Unter diesen tatsächlichen Umständen kann es das Gericht nicht verantworten, den Antragsteller im Zeitpunkt dieser, innerhalb weniger Stunden unter den Gegebenheiten einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zu treffenden gerichtlichen Eilentscheidung nach Ungarn abzuschieben.

LG Kempten / Az. 42 T 1321/15 / Ungarn

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Der Betroffene […] reiste unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht Kempten am 09.07.2015 Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach Ungarn […] angeordnet. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Betroffenen vom 29.07.2015.  Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen […]. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die Haftanordnung, die das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss vom 09.07 ausgesprochen hat, nicht zulässig. Nach § 62 3 S. 3 AufenthG ist die Sicherungshaft unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zwischenzeitlich eine neue Leitlinie bekannt werden lassen, wonach das Dublin-Verfahren für syrische Staatsangehörige ausgesetzt wird. Das bedeutet, syrische Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragt haben, nicht mehr nach der Dublin-III-VO in die EU-Länder zurückgeschoben werden, in denen sie zuerst registriert worden sind, insbesondere nicht nach Ungarn. Die Leitlinie  ist unbefristet. Vor diesem Hintergrund kommt in absehbarer Zeit, jedenfalls nicht innerhalb der nächsten 3 Monate, eine Zurückschiebung nach Ungarn nicht in Betracht, erst recht nicht unter Berücksichtigung der Situation der Flüchtlinge in Ungarn, die in den von der Beschwerdeführerin zitierten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen thematisiert wird. Abgesehen davon wäre eine  fortdauernde Inhaftierung des Betroffenen vor diesem Hintergrund auch unverhältnismäßig. Nach alledem war der Haftbefehl des Amtsgerichts aufzuheben.