Archiv der Kategorie: Beschluss

VG Chemnitz 4. Kammer / Az.: 4 L 1104/15.A / Ungarn

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Im Rahmen der im hiesigen Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung vermag das Gericht zwar nicht abschließend zu beurteilen, ob und inwieweit in Ungarn derartige systemische Schwachstellen bestehen, dass die Überstellung von Asylbewerbern gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO als unmöglich angesehen muss. Gleichwohl kann bei der Prüfung des Suspensivinteresses des Antragstellers nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Frage, ob Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedriegenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Charta der Grundrechte de Europäischen Union ausgesetzt zu werden, in der erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung derzeit gegensätzlich beurteilt wird und auch innerhalb des Freistaats Sachsen keine einheitliche Linie zu erkennen ist […]. Unter Berücksichtigung einschlägiger Medienberichte und sonstiger (seriöser) Erkenntnisquellen wurde immer wieder zurückgestellt und die aufschiebende Wirkung im Sinne des § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet […]. Da die abschließende Klärung des Problems auch im Hinblick auf den Antragsteller im Rahmen des Eilrechtsverfahrens nicht zu erreichen ist, sollte sie nach Auffassung des Gerichts dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben und von einer Rückführung nach Ungarn jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorläufig abgesehen werden.

Vg Frankfurt am Main 7. Kammer / Az.: 7 L 4560/15.F.A / Ungarn

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Anlass für die Vermutung, dass das ungarische Asylsystem derartige systemische Schwachstellen aufweist, die die Antragstellerin in schwerwiegender Weise um die Mindeststandarts der Aufnahmerichtline bringen könnten, sind zum einen ernstzunehmende Berichte über massive Kapazitätsprobleme in Verbindung mit einer offen ausländerfeindlichen Haltung der ungarischen Regierung, zum anderen die Verabschiedung eines neuen Asylgesetzes zum 06.07.2015, das am 01.08.2015 in Kraft getreten ist […]. Das VG Münster hat mit Beschluss vom 07.07.2015. – 2 L 858/15.A – […] ausgeführt:

„Ausgangspunkt für diese Bewertung ist das in Ungarn sich in jüngster Zeit massiv zuspitzende Kapazitätsproblem bei der Aufnahme von Asylbewerbern bedingt durch die stetig ansteigende Zahl von Asylbewerbern. Während in Ungarn im Jahre 2012 lediglich 2.157 Asylanträge gestellt wurden, stieg die Anzahl der Asylbewerber im Jahre 2013 auf 18.900 an und verdoppelte sich im Jahre 2014 auf 42.777. Vom 1. Januar 2015 bis zum 1. März 2015 registrierten die ungarischen Behörden bereits eine Anzahl von 28.535 Personen […]. Bis zu 72.000 Flüchtlinge sollen bereits in diesem Jahr nach Angaben der ungarischen Regierung in das Land gelangt sein […]. Ungarn gehört damit in der EU zum drittgrößten Zuwanderungsland für Asylbewerber […].  Hinzu kommt noch, dass Ungarn nach der Dublin-VO verpflichtet ist, alle weitergereisten Personen, die erstmals in Ungarn einen Asylantrag gestellt haben, wiederaufzunehmen. Dieser großen Anzahl von Asylbewerbern steht demgegenüber nur eine geringe Zahl von Aufnahmeplätzen gegenüber. Wie dem jüngsten Bericht des European Support Office (EOS) vom 18. Mai 2015 zu entnehmen ist, der eine ausführliche aktuelle Berichterstattung über das ungarische Asylsystem enthält […], gibt es in ganz Ungarn weniger als 2.500 Aufnahmeplätze in staatlichen Unterbringungseinrichtungen. Die Plätze verteilen sich auf vier offene Aufnahmeeinrichtungen (Bicske 439, Debrecen 823, Vamaosszabadi 255, Nagyfa 300 sowie in Balassagyarmat 111) und drei geschlossene Lager (Debrecen 192, Bekescsaba 159, Nyirbator 105). Bereits diese Zahlen verdeutlichen das bestehende massive Unterbringungsproblem in Ungarn. Es kann angesichts dieser Größenordnung bei einer Zuwanderung von mehr als 60.000 Flüchtlingen innerhalb eines halben Jahres ersichtlich nicht davon ausgegangen werden, dass die erheblich zu geringe Zahl an staatlichen Unterbringungsplätzen für Asylbewerber auch nur ansatzweise durch von Kirchen und sonstigen nichtstaatlichen caritativen Einrichtungen aufgefangen werden könnte.  Hinzu kommt, dass sich der ungarische Staat selbst weder willens noch in der Lage sieht, die Unterbringung und Versorgung der stetig ansteigenden Zahl von Asylbewerbern zu gewährleisten. Dass bereits seit einigen Monaten von den ungarischen Behörden die Situation der Flüchtlingsunterbringung als dramatisch eingestuft wird, zeigt der Umstand des bereits Ende Mai 2015 erklärten Aufnahmestopps von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Transfers wegen ausgeschöpfter Aufnahmekapazitäten bis zum 5. August 2015 […] Als erschwerend ist die ablehnende Haltung der ungarischen Regierung gegenüber dem Dublin-Übereinkommen anzusehen, die das gesamte Dublin-Konzept als ein Systemfehler bezeichnet. Seitens der ungarischen Regierung wird unmissverständlich deutlich gemacht, dass man eine nennenswerte Zuwanderung sog. Wirtschaftsflüchtlinge nicht wünsche und Ungarn keine multikulturelle Gesellschaft werden wolle […].  Die mangelnde Bereitschaft der ungarischen Regierung zur Aufnahme von Dublin-Rückkehrern gipfelte schließlich in der am 23. Juni 2015 erfolgten Ankündigung des Regierungschef Orban, das EU Abkommen zur Aufnahme von Flüchtlingen auszusetzen. Begründet wurde diese Entscheidung mit dem Hinweis, dass die Kapazitäten ausgeschöpft seien („Das Boot ist voll“) und die ungarischen Interessen sowie die ungarische Bevölkerung geschützt werden müssten […]. Wenn auch diese Ankündigung bereits einen Tag später zurückgenommen wurde, so macht sie doch auf der einen Seite die dramatische Unterbringungssituation für die Flüchtlinge in Ungarn deutlich wie auch auf der anderen Seite die fehlende Bereitschaft staatlicher Stellen, die Aufnahme von Flüchtlingen zu unterstützen und deren menschenwürdige Unterbringung zu garantieren. Vielmehr ist zu konstatieren,  dass die ungarische Regierung die Politik der Ausgrenzung weiter forciert. Ungeachtet internationaler Kritik hat Ungarn die Regeln für die Einwanderung verschärft. Am Montag, den 6 Juli 2015 verabschiedete das ungarische Parlament eine Verschärfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Der Zeitrahmen für Asylverfahren wird gekürzt werden. Mit der neuen Rechtslage wird ermöglicht, Asylanträge von Flüchtlingen abzulehnen, die über sichere Transitländer nach Ungarn gereist sind – selbst wenn sie aus Bürgerkriegsländern wie Syrien, Afghanistan oder dem Irak stammen. Vorgesehen ist überdies, dass Asylbewerber zukünftig selbst für Kost und Unterbringung während der Antragsbearbeitung zahlen sollen […].“

Dieser Einschätzung schließt sich die erkennende Einzelrichterin ausdrücklich an. Zum einen verursachen die aktuellen Flüchtlingszahlen ein so erhebliches Unterbringungsproblem, dass derzeit erhebliche Zweifel daran bestehen, ob Ungarn eine den Anforderungen des EU-Rechts bzw. der EMRK genügende (Mindest-) Versorgung der Asyl- bzw. Flüchtlingsschutzsuchenden, insbesondere hinsichtlich der vom EGMR unter Bezugnahme auf die Aufnahmerichtlinie im Lichte von Art. 3 EMRK eingeforderte Befriedigung der elementaren Grundbedürfnisse (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse), gewährleisten kann. Aktuell ist die Zahl der illegalen Migranten, die nach Angaben der ungarischen Regierung allein in diesem Jahr nach Ungarn gekommen seien, und auf die zur Verfügung stehenden 2.500 Aufnahmeplätze kommen, weiter auf über 81.00 angestiegen […]. Wie bei einem derart erheblichen Auseinanderfallen der Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze einerseits und der Zahl der Asylsuchenden andererseits eine menschenwürdige Unterbringung und Verpflegung gewährleistet werden soll, ohne dass die Asylsuchenden entweder in überfüllten Unterkünften ohne ausreichende Nahrungsversorgung und unter defizitären hygienischen Verhältnissen, wie sie auch die Antragstellerin beschreibt, oder aber auf der Straße leben müssen, erscheint mehr als zweifelhaft (so auch VG Köln, Urteil vom 30.07.2015 – 3 K 2005/15.A). Ob die Verlagerung der Asylunterkünfte von den Städten in Zeltlager an der ungarisch-serbischen Grenze […] auch zu weiteren (ausreichenden) Unterkunftsplätzen führen wird oder nur zu einer Verlagerung der bestehenden 2.500 Plätze, ist für das Gericht derzeit nicht ersichtlich und angesichts des erheblichen Übersteigens der Anzahl der Asylsuchenden um die Anzahl der Unterbringsplätze wenig wahrscheinlich. Dass eine sehr große Anzahl der Asylbewerber ihre Anträge zurückzieht oder in andere Mitgliedstaaten weiterwandert und deshalb nicht allein auf die Anzahl der in hoher Anzahl nach Ungarn einreisenden Antragsteller  abgestellt werden könne, wie das VG Potsdamm angeführt hat […], teilt das Gericht nicht. Denn auch hinsichtlich der weiterreisenden Antragsteller gilt, dass auch diese angesichts der Regelungen der Dublin-III-VO grundsätzlich nach Ungarn zurückzuführen sind. Selbst wenn von diesen einige untertauchen oder aus anderen Gründen nicht zurückgeführt werden, sind angesichts der enorm hohen Zahl, die sich binnen weniger Jahre vervielfacht hat, die Aufnahmekapazitäten nach derzeitigem Erkenntnisstand und der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung dennoch völlig unzureichend (so auch VG Köln, a. a. O.).

Zum anderen ergeben sich weitere erhebliche Bedenken des Gerichts hinsichtlich des Bestehens systemischer Mängel im ungarischen Asylsystem daraus, dass Ungarn seit dem 06.07.2015 eine Änderung des Asylrechts beschlossen hat, die am 01.08.2015 in Kraft getreten ist. Dieses soll nicht nur eine erhebliche Verfahrensverkürzung auf wenige Tage unter Wegfall bzw. massiver Einschränkung der gebotenen Rechtsschutzmöglichkeiten sowie eine Verlängerung der Inhaftierung aller Asyl- und Flüchtlingsschutzsuchenden, die in das Land illegal eingereist sind, einschließlich Frauen, Kinder und besonders Schutzbedürftiger, vorsehen. Sondern Asylsuchenden kann nach den gegenwärtigen Erkenntnissen des Gerichts infolge der Gesetzesänderungen der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt werden, sollten sie durch eines der Länder eingereist sein, dass die ungarischen Behörden nun als „sicher“ eingestuft haben. Jeder, der auf dem Weg nach Ungarn durch eines dieser Länder gereist ist, könnte ungeachtet des jeweiligen Herkunftslandes abgewiesen werden. Zu einer ganzen Reihe neuer Ablehnungsgründe zählt daher offenbar auch die Möglichkeit, die Anträge von Asyl- und Flüchtlingsschutzsuchenden, die durch „sichere Drittländer“ gekommen sind, für unzulässig zu erklären und diese in „sichere Drittstaaten“ zurückzuführen. Auf der von der ungarischen Regierung erstellten Liste soll unter dem Begriff „sichere Drittstaaten“ neben Albanien, Mazedonien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und Kosovo auch Serbien fallen […]. Vor diesem Hintergrund hat sich nicht nur der UNHCR in der angegebenen Stellungnahme zutiefst besorgt darüber gezeigt, dass die vorgeschlagene Änderung des Asylrechts die Rückführung von Asylbewerbern in potentiell unsichere Drittstaaten ermögliche. Sondern auch der EGMR hat in ständiger Rechtsprechung i. R. v. Art. 3 EMRK darauf hingewiesen, dass bei der Anwendung der jeweils geltenden Dublin-Verordnung hinsichtlich des Aufnahmestaates – hier Ungarn – garantiert sein muss (und der ausweisende Stat in einer entsprechenden Verantwortung bleibt), dass das betreffende Asylsystem von der direkten oder indirekten Ausweisung ins Herkunftsland absieht, solange die Risiken, denen die betroffene ausgesetzt sein könnte, nicht überprüft worden sind […]. Angesichts dessen, dass von den laut Angaben der ungarischen Regierung über 81.000 Asylsuchenden (Stand Juli 2015) mehr als 80.000 […] bzw. 99 % der gesamten Asylantragsteller […] über Serbien eingereist seien, ist die Wahrscheinlichkeit ebenfalls hoch, dass dies auch auf die Antragstellerin zutrifft. Serbien wiederum soll laut einer Mitteilung des UNHCR vom Oktober 2012 bislang nahezu sämtliche Asylanträge ohne Anhörung des Asylgründe mit der Begründung zurückgewiesen haben, dass der Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat eingereist sei, wobei die Liste der „sicheren Drittstaaten“ äußerst umfangreich sei und sämtliche Nachbarländer Serbiens umfasse. Wegen der damaligen Praxis Ungarns, Antragsteller ohne Prüfung der Asylgründe nach Serbien zurückzuführen, hat der UNHCR deshalb bereits 2012 empfohlen, keine Rückführungen nach Ungarn unter der damaligen Dublin II-VO in Fällen durchzuführen, in denen Asylsuchende vor ihrerer Einreise nach Ungarn in Serbien waren oder gewesen sein könnten […]. Auch wenn es zwischenzeitlich eine Verbesserung dahingehend gegeben zu haben scheint, dass Ungarn nicht mehr an dem „Sicheren-Drittstaaten-Konzept“) festgehalten und eine Prüfung der Begründetheit selbst durchgeführt haben soll […], scheint in dem zum 01.08.2015 in Kraft getretenen Gesetz davon wieder Abstand genommen worden und eine Rückführung nach Serbien ohne eigene Prüfung gerade wesentlicher Bestandteil des Gesetztes zu sein. Serbien weist auch aktuell ein signifikantes Risiko des Refoulements nach Mazedonien und weiter nach Griechenland auf. Die Liste der sicheren Drittstaaten beinhalte u.a. sämtliche Nachbarländer Serbiens sowie Griechenland und die Türkei […].

Es kann daher derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Antragstellerin bei einer Rückführung nach Ungarn von dem Risiko der Abschiebung nach Serbien bedroht ist, das wiederum ihre Rückführung in die Türkei oder nach Griechenland oder in ihr Herkunftsland betreiben könnte, ohne dass eine den europäischen Mindestanforderungen genügende Prüfung ihrer Schutzbedürftigkeit erfolgen würde. Dies würde eine Verletzung des Non-Refoulement-Gebots der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention bedeuten […].

Den erheblichen Zweifeln, ob Ungarn noch eine Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK entsprechende Gewährleistung der Mindeststandards für Asylsuchende bietet, steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der EGMR mit Urteil vom 03.07.2014, 71932/12, entschieden hat, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Asylsuchender nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliege, bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-Verordnung einer Behandlung ausgesetzt zu sein, die Art. 3 EMRK verletzen würde. Denn dieses Urteil berücksichtigt nicht die aktuellen Entwicklungen, wie sie sich insbesondere in den erheblichen Kapazitätsproblemen und der Verschärfung des Asylrechts zum 01.08.2015 zeigen. Der EGMR hat in seinem Urteil vom 03.07.2014 im Hinblick auf die Frage einer Rückführung nach Serbien und dem dadurch unter Art. 3 EMRK zu beachtenden Gebots des onRefoulements darauf hingewiesen, dass der UNHCR und das Hungarian Helsinki Committee (zum damaligen Zeitpunkt) bestätigt hätten, dass Ungarn nicht länger an seinem „Sichere-Drittstaaten-Konzept“ festhalte und insbesondere die Asylanträge von Dublin-Rückkehrern hinsichtlich ihrer Begründetheit untersucht würde, wenn der jeweilige Fall noch nicht entschieden worden sei […]. Diese Grundlage, aufgrund derer der EGMR hinsichtlich der Frage einer Verletzung von Art. 3 EMRK im Hinblick auf ein Refoulement nach Serbien zu keiner Verletzung kam, ist so nach den gegenwärtigen Erkenntnissen des Gerichts hinsichtlich des neuen, zum 01.08.2015 in Kraft getretenen Asylgesetzes voraussichtlich nicht mehr gegeben. Die Erwartung des EGMR, auf der seine Entscheidung beruht, nämlich dass die zum damaligen Zeitpunkt in Kraft getretenen Gesetzesänderungen in Ungarn zu einer positiven Entwicklung des ungarischen Asylsystems führen würden, scheinen sich danach nicht bewahrheitet zu haben […].

 

VG Kassel 5. Kammer / AZ.: 5 L 1660/15.KS.A / Ungarn

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Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. August 2015 wird angesichts der gegenwärtigen Verfahrenspraxis des Bundesamtes zur Aussetzung des Dublin-Verfahrens für syrische Staatsangehörige angeordnet.

 

EGMR setzt Abschiebung nach Ungarn aus

Laut einer Mail der EGMR-Pressestelle an eine ungarische Online-Zeitung hat der EGMR letzte Woche eine Abschiebung von Österreich von Ungarn vorübergehend untersagt:

Dear Sir, Thank you for your email. We can confirm that last week the Court decided to apply Rule 39 (interim measures) of the Rules of Court temporarily and asked for factual information from the Austrian Government in a case concerning a Syrian national facing removal from Austria to Hungary. Interim measures are urgent measures which, according to the Court’s well-established practice, apply only where there is an imminent risk of irreparable harm. Such measures are decided in connection with proceedings before the Court without prejudging any subsequent decisions on the admissibility or merits of the case in question.With best wishes, ECHR – Press Unit

Quelle

Update: Es handelt sich sogar um zwei Fälle aus Österreich, bei denen von EMGR von der „Rule 39“ Gebrauch gemacht hat.

Download Entscheidung I (9.9.2015)
Download Entscheidung II (14.9.2015)

VG Minden 3. Kammer / Az.: 3 L 806/15.A / Ungarn

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Es ist derzeit offen, ob sich im anhängigen Hauptsacheverfahren erweisen wird, dass die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung rechtswidrig ist oder nicht. Jedenfalls nach der zum 01.08.2015 in Kraft getretenen Änderung des ungarischen Asylrechts kann nicht ausgeschlossenen werden, dass dem Antragsteller bei einer Rückführung nach Ungarn eine weitere Abschiebung nach Serbien und damit letztlich in sein Herkunftsland droht ohne dass eine den europäischen Mindestanforderungen genügende Prüfung seiner Schutzbedürftigkeit erfolgen würde. Dies würde eine Verletzung des Non-Refoulement-Gebots der Genfer Flüchtlingskonventionen und der Europäischen Menschenrechtskonvention bedeuten.

VG Frankfurt am Main 9. Kammer / 9 L 3057/15.F.A / Ungarn

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Nach Einschätzung der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erkennbaren Sachlage würde der im Jahre 1992 geborene Antragsteller in ein defizitäres, nicht funktionierendes Asylsystem in Ungarn zurückgeschickt. Das Aufnahmesystem in Ungarn ist deutlich durch die Vielzahl von Asylsuchenden in der Europäischen Union überlastet und muss diesen quantitativ beachtlichen Ansturm das Ersteinreiseland aushalten. Dafür ist es derzeit nicht ausgelegt und genügend aufnahmebereit, was überdies staatlicherseits zu problematischen Haftanordnungen und administrativen Abwehrstrategien geführt hat. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Versorgung der Asylsuchenden, wobei die Messlatte nur an die Basisversorgung gelegt wird. Obdach, Ernährung und Gesundheitsversorgung sind schon quantitativ nicht gewährleistet. Dies wird im Einzelnen in dem jüngsten Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 07.07.2015 […] unter Auswertung von Nachrichten sachbefasster Stellen ausgeführt, worauf das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.

VG Magdeburg 9. Kammer / 9 B 713/15 MD / Ungarn

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[I]m anhängigen gerichtlichen Verfahren hat sich eine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben. Nach der neuerlichen Richtlinie des Bundesamtes vom August 2015 werden Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitestgehend faktisch nicht weiter betrieben. Danach wird auch bei „vollziehbaren Abschiebungsandrohungen“ und „angestoßenen Überstellungen“ das „Dublin-Verfahren abgebrochen“ und das „Selbsteintrittsrecht sofort ausgeübt“ und die „Überstellung storniert“. Warum dies im vorliegenden Fall nicht geschieht, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts. In einer E-Mail der Antragsgegnerin an die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers heißt es dazu, „dass das Verfahren des von Ihnen vertretenen jungen Syrers so weit vorangeschritten ist, dass die Überstellung durchgeführt wird.“ Dies stellt keine ordnungsgemäße Ermessensausübung bzw. Gleichbehandlung dar, worauf der Antragsteller einen Anspruch hat. Auch wenn es sich bei der „Richtlinie“ bzw. „Leitlinie“ um keine gesetzliche Regelung im Sinne eines formellen Gesetzes handelt, hat sich die Beklagte damit im Sinne einer Verwaltungsvorschrift eine (selbst)bindende Regelung gegeben, die gerade eine gleichmäßige Anwendung und damit eine Vereinfachung der Verfahren garantieren soll. Vom rechtlichen Regelungsgehalt der „Leitlinie“ im Sinne eines einklagbaren Anspruchs abgesehen, hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch aufgrund veränderter Umstände. Zum Zeitpunkt der jetzigen gerichtlichen Entscheidung haben sich die politischen Ereignisse in Ungarn im Zusammenhang mit dem Dublin-Abkommen überschlagen. Wie die Kammer bereits in ständiger Rechtsprechung ausführt, verhält sich Ungarn nicht unionskonform und es ist anzunehmen, dass Ungarn wegen der Inhaftierung von Asylbewerbern und den Mängeln in den Unterbringungen systemische Mängel im Asylsystem aufweist. Zudem hat Ungarn unlängst Verschärfungen des nationalen Asylrechts beschlossen. Unter diesen tatsächlichen Umständen kann es das Gericht nicht verantworten, den Antragsteller im Zeitpunkt dieser, innerhalb weniger Stunden unter den Gegebenheiten einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zu treffenden gerichtlichen Eilentscheidung nach Ungarn abzuschieben.

VG Potsdam 4. Kammer / Az.: 4 L 886/15.A / Ungarn

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Angesichts der sich in den vergangenen Tagen und Wochen dramatisch zuspitzenden Entwicklungen hat sich der zu Entscheidung berufene Einzelrichter jedoch – unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung – nicht mehr die Überzeugungsgewissheit verschaffen können, dass das Asylverfahren in Ungarn frei von systemischen Mängeln ist […]. Maßgeblich für diese Einschätzung sind zum einen die von niemandem mehr ernsthaft bestrittenen erheblichen Kapazitätsprobleme, die zwar – soweit ersichtlich – derzeit eine Reihe von europäischen Staaten, auch die Bundesrepublik Deutschland betreffen, in Ungarn aber wohl weit massiver sind […]. Hinzu kommt, dass die ungarische Regierung am 6. Juli 2015 eine Änderung des Asylrechts beschlossen hat, die am 1. August 2015 in Kraft getreten ist. Diese soll nicht nur eine erhebliche Verfahrensverkürzung auf wenige Tage unter Wegfall bzw. massiver Einschränkung der gebotenen Rechschutzmöglichkeiten sowie eine Verlängerung der Inhaftierung aller Asyl- bzw. Flüchtlingsschutzsuchenden, die in das Land illegal eingereist sind, einschließlich Frauen, Kinder und besonders Schutzbedürftiger, vorsehen. Asylsuchenden kann nach den gegenwärtigen Erkenntnissen des Gerichts infolge der Gesetzesänderungen der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt werden, sollten sie durch eine der Länder eingereist sein, das die ungarischen Behörden nun als „sicher“ eingestuft haben. Jeder, der auf dem Weg nach Ungarn durch eines dieser Länder gereist ist, könnte ungeachtet des jeweiligen Herkunftslandes abgewiesen werden. Zu einer ganzen Reihe neuer Ablehnungsgründe zählt daher offenbar auch die Möglichkeit, die Anträge von Asyl- und Flüchtlingsschutzsuchenden, die durch „sichere Drittländer“ gekommen sind, für unzulässig zu erklären und diese in „sichere Drittstaaten“ zurückzuführen. Auf der von der ungarischen Regierung erstellten Liste soll unter den Begriff „sichere Drittstaaten“ neben Serbien, Albanien, Mazedonien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und Kosovo auch Griechenland fallen. Es kann daher derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass auch der Antragsteller bei einer Rückführung nach Ungarn von dem Risiko der Abschiebung nach Griechenland bedroht ist, ohne dass eine den europäischen Mindestanforderungen genügende Prüfung seiner Schutzbedürftigkeit erfolgen würde. Dies würde eine Verletzung des Non-Refoulement-Gebots der Genfer Flüchtlingskonventionen und der Europäischen Menschenrechtskonvention bedeuten […]. Vor diesem Hintergrund hat sich auch der UNHCR zutiefst besorgt darüber gezeigt, dass die vorgeschlagene Änderung des Asylrechts die Rücksendung von Asylbewerben in potentiell unsichere Drittstaaten ermögliche […]. Nicht unberücksichtigt bleiben können schließlich die Aktionen und Äußerungen der rechtsnationalen Regierung Ungarns der vergangenen Tage, die zur Überzeugung des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters ein Klima schaffen, das die ohnehin kaum noch tragbare Lage der Flüchtlinge in Ungarn weiter drastisch verschärfen wird […].

Vg Düsseldorf 22. Kammer / Az.: 22 L 2944/15.A / Ungarn

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Das Gericht ändert von Amts wegen den im Tenor genannten Beschluss […]. weil das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt das bezüglich der Abschiebungsanordnung […]gesetzlich angeordnete Interesse an deren sofortiger Durchsetzbarkeit überwiegt […].

Vorliegend ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte für systemische Mängel im oben genannten Sinn hinsichtlich des Asylverfahrens in Ungarn aus den zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen des ungarischen Asylrechts, soweit sie sich aus frei zugänglichen Veröffentlichungen ergeben[…]. Insbesondere begründet die Aufnahme von Serbien – neben allen anderen an Ungarn angrenzenden Staaten – in die Liste der sicheren Drittstaaten die Gefahr, dass der betroffene Antragsteller keinen Zugang zu einem Asylverfahren erhält, in dem eine inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe vorgenommen würde. Es besteht die Gefahr, dass er bei einer Überstellung nach Ungarn durch die dortigen Behörden ohne inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe nach europäischen Mindeststandards beispielsweise nach Serbien abgeschoben wird. Nach den Feststellungen des Europäischen Kommissars für Menschenrechte ist jedoch jedenfalls hinsichtlich Serbien äußerst zweifelhaft, dass das dortige Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen den europäischen Mindestanforderungen entsprechen […]. Damit liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Ungarn eine weitere Abschiebung in ein nicht sicheres Drittland und damit in sein Herkunftsland droht, ohne ihm Zugang zu einem Verfahren auf Zuerkennung internationalen Schutzes zu gewährleisten in dem seine Fluchtgründe inhaltlich geprüft werden. Darin läge zugleich ein Verstoß gegen das Refoulement-Verboten zu Lasten des Antragstellers […].

VG Düsseldorf 8. Kammer / Az.: 8 L 2806/15.A / Ungarn

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Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines nach § 80 Abs. 5 VwGO erlassenen Beschlusses wegen veränderter Umstände beantragen […].

Nach den vor vorstehenden Informationen sind die Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit nach dem Dublin III-Abkommen und zur Prüfung eines Asylgesuchs in Zuständigkeit des ungarischen Staates sowohl vor den ungarischen Behörden wir vor den ungarischen Gerichten etwa durch die Verkürzung von Fristen und die an Firstversäumnisse angeknüpften Sanktionen sowie neu gefasste Beweislastregeln formell wie materiell in einer Weise verändert worden, die ernsthaft befürchten lässt, dass das ungarische Asylrecht seit dem 1. August 2015 hinter den Verfahrensgarantien der Dublin III-Verordnung und den Vorgaben der Qualifikationsrichtline zurückbleibt und die in Ungarn Schutzsuchenden auch in Rechten verletzt, die ihnen auf europäischer Ebene grundrechtlich verbürgt sind.

Zudem besteht insbesondere durch die Aufnahme von Serbien – neben allen anderen an Ungarn angrenzenden Staaten – in die Liste der sicheren Drittstaaten die Gefahr, dass Schutzsuchende nach einer Überstellung nach Ungarn ohne inhaltliche Prüfung ihrer Fluchtgründe in Staaten abgeschoben werden, für die zumindest zweifelhaft ist, dass die dortigen Asylverfahren den europäischen Mindestanforderungen entsprechen und Abschiebungen in andere nicht sichere Drittstaaten oder Rückführungen in das Herkunftsland des Schutzsuchenden unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ausgeschlossen sind. Nach den Feststellungen des Europäischen Kommissars für Menschenrechte bestehen jedenfalls hinsichtlich Serbien erhebliche Zweifel daran, dass das dortige Asylverfahren den europäischen Mindestanforderungen entspricht […].