VG Gelsenkirchen 18a. Kammer / Az.: 18a L 1261/15.A / Ungarn

Download

Die vorgelegte amtsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. […] vom 26. März 2015 legt dar, dass eine Rückführung nach Ungarn nur für den Fall zu befürworten sei, wenn 100%ig gesichert werden könne, dass der Antragsteller sofort in therapeutisch kompetente Verhältnisse gebracht werde. Andernfalls würde die Rückführung zu einer unzumutbaren Retraumatisierung führen. Eine solche Sicherung seitens der ungarischen Behörden liegt jedoch nicht vor. Insoweit begegnet die Rechtmäßigkeit der […] verfügten Abschiebungsanordnung […] mit Blick auf ihre Durchführbarkeit nachträglich eingetretenen Bedenken. Zu berücksichtigen ist vorliegend […], dass nach Einschätzung des Amtsarztes Dr. […], die der fachärztlichen Diagnose […] in Bezug auf das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung uneingeschränkt und nach eigener Begutachtung […] folgt, hinsichtlich der Rückführung des Antragstellers nach Ungarn eine Sicherung der ungarischen Behörden verlangt, dass der Antragsteller „sofort in therapeutisch kompetente Verhältnisse“ gebracht wird, andernfalls eine unzumutbare Retraumatisierung drohe. Eine solche nach amtsärztlicher Auffassung für den Ausschluss der Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Antragstellers zwingend erforderliche Erklärung der ungarischen Behörden liegt jedoch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vor. Unabhängig von der Frage, ob die Zusicherung des Liasonbeamten anstelle der ausdrücklichen Zusicherung seitens der zuständigen ungarischen ungarischen Behörde ausreicht, genügt die per E-Mail am 17. April 2015 übersandte Bestätigung, eine entsprechende Behandlung sei sichergestellt, nicht den Anforderungen der von Seiten des Amtsarztes geforderten Gewährleistung. Vor allem im Hinblick darauf, dass laut E-Mail vom 17. April 2015 zwar eine „entsprechende Behandlung“ sichergestellt sei, im Nachsatz jedoch darum gebeten wird, „bei der Überstellungsankündigung einen fetten Hinweis auf die konkrete psychische Erkrankung“ mit anzubringen, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass – wie von Seiten des Amtsarztes gefordert – der Antragsteller bei Rückführung nach Ungarn „sofort in therapeutisch kompetente Verhältnisse“ gebracht wird. Wird den ungarischen Behörden erst mit der tatsächlichen Überstellung die konkrete Erkrankung des Antragstellers mitgeteilt, läuft eine Zusicherung, „eine entsprechende Behandlung“ sei sichergestellt, faktisch von vornherhein ins Leere, da ohne Kenntnis der tatsächlichen Erkrankung weder die Art der Behandlung noch die konkret auf die Bedürfnisse des Antragstellers abgestimmte erforderlichen Maßnahmen zugesichert werden können. Dass der Antragsteller unmittelbar nach der Überstellung die für ihn konkret erforderliche psychotherapeutische Behandlung erfährt, ist damit nicht gewährleistet. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Falle der Abschiebung nach Ungarn mit einer Retraumatisierung des Antragstellers zu rechnen ist, so dass ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorliegt.