Vg Potsdam 6. Kammer / Az.: 6 L 356/15.A / Ungarn

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[D]ie ungarische Regierung [hat] im Zusammenhang mit der Note der ungarischen Regierung vom 22. Juni 2015 an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union , wonach Ungarn keine Dublin-Überstellungen mehr akzeptieren werde, weil Ungarn „voll“ sei (vgl. faz.net vom 23 Juni 2015 „Ungarn nimmt keine Flüchtlinge mehr auf“), mit der Rücknahme dieser Erklärung am 24. Juni 2015 und der gleichzeitigen Mitteilung, man sei der Auffassung, dass erstmals über Griechenland eingereiste illegale Einwanderer dorthin zurückgeschickt werden müssten (vgl. spiegelonline vom 24. Juni 2015 „Ungarn nimmt umstrittenen Flüchtlingsstopp zurück“), sowie mit seiner neueren Gesetzgebung von Anfang Juli 2015 (vgl. derStandart.at vom 6. Juli 2015 „Ungarn will ‚Dublin-Flüchtlinge‘ wieder übernehmen“) womöglich ein Asylsystem etabliert, dessen Regularien kein faires Asylverfahren mehr gewährleisten und bei dem die Gefahr besteht, dass die einzelnen Asylantragsteller zu einem bloßen Objekt staatlichen Handelns werden können. Wohl hat die ungarische Einwanderungsbehörde den anderer Mitgliedstaaten am 3. Juli 2015 mitgeteilt, es würden Dublin-Rückkehrer nun wiederaufgenommen (vgl. der Standard a.a.O.), so das die zuletzt vom Antragsteller in Zweifel gezogenen Abschiebungsmöglichkeit i.S.v. § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG wiederhergestellt worden sein dürfte. Ungarn hat jedoch seine Asylgesetzgebung nun am 6 Juli 2015 erneut verschärft mit dem ausdrücklichen Ziel, den Zustrom vom Migranten zu begrenzen. Dazu ist u.a. vorgesehen, Asylanträge von Antragstellern abzulehnen, die über als sicher eingestufte Länder nach Ungarn eingereist sind und es wird der Zeitraum zur Überprüfung von Asylanträgen eingeschränkt (eda.).  Außerdem soll ein Asylantrag abgelehnt werden, wenn Asylbewerber den Aufenthaltsort, dem sie zugewiesen sind, länger als 48 Stunden verlassen (vgl. vorarlbergernachrichten.at vom 6. Juli 2015 „Asylgesetz in Ungarn wurde nun verschärft“). In diesem Zusammenhang ist es unklar, ob z.B. Griechenland als sicherer Staat eingestuft wird und ob bzw. mit Wirkung von wann die das Verlassen eines Zuweisungsorts begründeten Folgen (auch) auf Dublin-Rückkehrer in der Situation des hiesigen Antragstellers Anwendung finden. Insbesondere die aktuelle Asylgesetzgebung steht in einem Gesamtkontext zu den unmittelbar vorangegangen regierungsamtlichen Verlautbarungen, die bei Lichte besehen darauf abgezielt haben, dass Ungarn entgegen seiner Verpflichtungen aus Art. 22 Abs. 7, 25 Abs 2 und Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO keine Dublin-Rückkehrer mehr aufnehmen und dass es sich entgegen dem Refoulement-Verbot, das hinsichtlich der Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin III-VO zum Ausdruck kommt, nicht mehr an die Griechenland betreffende, nach wie vor aktuelle Rechtsprechung von EGMR […] und EuGH […] halten will. Damit hat Ungarn das unionsrechtliche Vertrauen in Bezug auf die Aufnahme von Dublin-Rückkehrern in einer Weise erschüttert, die eine Aufklärung der aktuellen Situation im Hauptsacheverfahren erfordert. Nach der EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 21. Dezember 2011, a.aO.) ergibt die Prüfung der Rechtstexte, die das Gemeinsame Europäische Asylsystem bilden, dass dieses in einem Kontext entworfen wurde, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie der EGMR finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Ungarns Regierung zieht mit ihrer erklärten mangelnden Bereitschaft zur Aufnahme von Dublin-Rückkehrern angesichts der dramatischen Unterbringungssituation bezüglich aller ersteinreisenden Asylantragsteller dieses unionsrechtliche Vertrauen in Zweifel.