VG Regensburg 7. Kammer / Az.: RO 7 K 11.30142

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Da der Kläger aus einem geschlossenen Zentrum geflohen ist, ist zu erwarten, dass er auch bei Rückkehr wieder in einem solchen untergebracht wird (Update der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom November 2011, S. 4). Es gibt keine Gewähr, dass sein Asylverfahren wieder aufgenommen wird (vgl. Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 6.9.2010, S. 19). Die geschilderte monatelange Inhaftierung des Klägers verstößt gegen Art. 5 EMRK. Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. Entsch. vom 22.7.2010, Az. 12186/08) ist die Inhaftierung von unerlaubt einreisenden Personen zwar nicht grundsätzlich verboten. Die Freiheitsentziehung muss aber in gutem Glauben vorgenommen werden, strikt auf den Zweck abgestellt sein, eine unerlaubte Einreise zu verhindern, und darf nur so lange dauern, wie es für das verfolgte Ziel notwendig ist. Außerdem müssen der Ort der Unterbringung und ihre Bedingungen angemessen sein. Nachdem in Malta die Mehrheit der einreisenden somalischen Flüchtlinge zumindest subsidiären Schutz erhält, ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die monatelange Inhaftierung noch dem Zweck der Verhinderung einer unerlaubten Einreise dient; der Ausnahmetatbestand nach Art. 5 Buchst. f) EMRK ist daher jedenfalls bei somalischen Staatsangehörigen nicht gegeben, da auch in Malta bekannt sein dürfte, dass diese aufgrund der Verhältnisse im Heimatland ihre Staatsangehörigkeit regelmäßig nicht durch Identitätspapiere nachweisen können. Daneben sind die beschriebenen Haftbedingungen unangemessen und stellen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach Art. 3 EMRK dar. Insbesondere hat auch der Kläger geschildert, dass er mehrere Monate lang mit 24 Leuten in einem einzigen Raum untergebracht war. Darüber hinaus ist aus der Stellungnahme der maltesischen Regierung zum Bericht von Hammerberg zu schließen, dass es weiterhin keine Höchstdauer der Haft und keine effektive gerichtliche Überprüfung der Haft gibt.

Bordermonitoring.eu/Pro Asyl: Out of system

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Im September 2011 besuchten die Autor_innen für knapp zwei Wochen den Inselstaatsstaat Malta. Sie führten vor Ort über 30 qualitative Interviews mit Flüchtlingen, sprachen mit zahlreichen Expert_innen und besuchten alle offenen Flüchtlingslager. Der Bericht gibt einen fundierten Einblick in das bis heute bestehende totale Inhaftierungsregime auf Malta, in dem jeder Bootsflüchtling zunächst unter zum Teil äußert problematischen Bedingungen inhaftiert wird. Im Anschluss erfolgt in der Regel eine Unterbringung in einem der offenen Lager auf Malta, zumeist unter katastrophalen Umständen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung etwa in stark beschädigten Zelten oder in einem ehemaligen Flugzeughanger. „Out of system” ist ein Ausspruch, der von den Flüchtlingen auf Malta stammt. Er beschreibt die weit verbreitete Angst, selbst diese miserablen Unterkünfte verlassen zu müssen und gänzlich ohne Obdach und Einkommen auf der Insel (über)leben zu müssen.

Schweizerische Flüchtlingshilfe: Malta – Aufnahmebedingungen für Personen aus dem Asylbereich – Update

Die Zahl der Asylsuchenden, die via Malta in die Schweiz gelangen, ist klein. Aufgrund zahlreicher Berichte, welche seit Jahren auf äusserst prekäre Aufnahmebedingungen in Malta hinweisen, sah sich die Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH jedoch veranlasst, im Oktober 2009 eine Abklärungsreise in Malta durchzuführen. Gestützt auf die Ergebnisse dieses Besuchs sowie aufgrund von zahlreichen Berichten und Expertenauskünften wurdeim Herbst 2010 ein Themenpapier zur Situation verletzlicher Personen aus dem Asylbereich in Malta erstellt. Das vorliegende Update knüpft an dieses Themenpapier an und konzentriert sich auf aktuelle Informationen, welche auf den Erkenntnissen einer erneutenAbklärungsreise im September 2011
sowie aktuellen Berichten basieren.

Antwort des Bundesinnenministeriums zu Malta

Laut Antwort des BMI vom 5.9.2011 auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Josef Winkler gilt,

dass von Überstellungen von Deutschland nach Malta besonders schutzbedürftige Personen wie z.B. unbegleitete Minderjährige, Personen hohen Alters oder mit erheblichen Erkrankungen ausgenommen werden[…].

EGMR / Az.: 24340/08

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Am 27. Juli 2010 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Malta im Fall des algerischen Flüchtlings Louled Massoud aufgrund eines Verstoßes gegen Artikel 5 Absatz 1 sowie Absatz 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Der Beschwerdeführer erreichte Malta im Juni 2006 und war anschließend knapp über zweieinhalb Jahre inhaftiert. Zunächst in Strafhaft, wurde er nach Verbüßung seiner Haftstrafe am 27. Juni 2007 in ein Detention Centre überstellt. Aus diesem wurde er am 6. Januar 2009 entlassen, nachdem die Abschiebungsanordnung aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten durch die zuständige Behörde aufgehoben wurde. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil feststellt, entsprächen die innerstaatlich vorgesehenen Rechtsmittel nicht den Anforderungen von Artikel 5 Absatz 4 EMRK: Erstens sei eine Überprüfung der Haft unter Artikel 409A des neunten Kapitels des maltesischen Strafrechts und seine Auslegung durch die zuständigen maltesischen Gerichte nicht geeignet, die Anforderungen der EMRK zu erfüllen. Zweitens habe auch ein Antrag an das Immigration Appeals Board (IAB) keinerlei realistische Erfolgsaussichten und sei daher als effektiver Rechtsbehelf ungeeignet, wobei der Gerichtshof darauf verweist, dass für die vergangenen Jahre – trotz der hohen Gesamtzahl irregulärer Migranten auf Malta – von der maltesischen Regierung lediglich vier Fälle vorgebracht wurden, in denen das IAB eine Entlassung anordnete (und dies ausschließlich in Fällen, in welchen der Beschwerdeführer besonders schutzbedürftig war). Drittens
stellt der Gerichtshof fest, dass auch eine Verfassungsbeschwerde nicht der in Artikel 5 Absatz 4 EMRK vorgesehenen „kurzen Frist“ entspreche. Weiterhin verweist der Gerichtshof grundsätzlich darauf, dass die von Behördenseite geschaffenen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von Rechtsmitteln gegen eine Inhaftierung eine realistische Möglichkeit des Zugangs zu diesen ermöglichen müssen.