Vg Hannover 6. Kammer / Az.: 6 B 3050/15 / Ungarn

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Es liegen hier auf Grundlage neuerer Erkenntnisse konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und die Verfahrenspraxis in Ungarn nicht an die zu fordernden und bei der Einführung des § 27 a AsylVfG vorausgesetzten unions- bzw. völkerrechtlichen Standards heranreichenden und systemische Mängel des Asylverfahrens in Ungarn bestehen. Insbesondere werden Asylbewerber, gerade auch sog. Dublin-Rückkehrer, praktisch ausnahmslos inhaftiert, wobei sowohl hinsichtlich des Verfahrens der Haftanordnung als auch hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Haftanordnung Anhaltspunkte für eine grundrechtsverletzende, willkürliche und nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Inhaftierungspraxis bestehen (vgl. UNHCR, Stellungnahme zur Situation der Flüchtlinge und Asylbewerber in Ungarn an das VG Düsseldorf vom 09.05.2014; Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, Mai 2014). Darüber hinaus ist auch die Frage der Behandlung der Asylanträge von sog. Dublin-Rückkehrern als kritisch zu bewerten. Zwar werden nach einer Änderung des ungarischen Asylgesetzes Dublin-Rückkehrern nun grundsätzlich der Zugang zum Asylverfahren und eine vollständige Prüfung der Asylgründe garantiert. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn der Asylbewerber seinen ursprünglichen Asylantrag in Ungarn stillschweigend oder schriftlich zurückgenommen hat. Dann wird nämlich der erneut zu stellende Antrag als unzulässig oder offensichtlich unbegründet angesehen und Rechtsmittel gegen eine derartige Entscheidung haben keine aufschiebende Wirkung. Daneben gibt es die Möglichkeit einer negativen Entscheidung über das Asylbegehren in Abwesenheit, gegen die in der Regel bei Dublin-Rückkehrern wegen Fristablaufs ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist. Wenn eine derartige Entscheidung ergangen ist, muss der im Dublin-Verfahren zurückkehrende Asylbewerber im Rahmen eines Folgeverfahrens neue Fakten und Beweismittel zur Begründung seines Antrag vorlegen (vgl. Hungarian Helsinki Committee, a.a.O.).  Unter Berücksichtigung der bestehenden Zweifel hinsichtlich des Asyl- und Aufnahmeverfahrens in Ungarn ist dem Antragsteller vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren und eine weitergehende Prüfung dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.