Angesichts der sich in den vergangenen Tagen und Wochen dramatisch zuspitzenden Entwicklungen hat sich der zu Entscheidung berufene Einzelrichter jedoch – unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung – nicht mehr die Überzeugungsgewissheit verschaffen können, dass das Asylverfahren in Ungarn frei von systemischen Mängeln ist […]. Maßgeblich für diese Einschätzung sind zum einen die von niemandem mehr ernsthaft bestrittenen erheblichen Kapazitätsprobleme, die zwar – soweit ersichtlich – derzeit eine Reihe von europäischen Staaten, auch die Bundesrepublik Deutschland betreffen, in Ungarn aber wohl weit massiver sind […]. Hinzu kommt, dass die ungarische Regierung am 6. Juli 2015 eine Änderung des Asylrechts beschlossen hat, die am 1. August 2015 in Kraft getreten ist. Diese soll nicht nur eine erhebliche Verfahrensverkürzung auf wenige Tage unter Wegfall bzw. massiver Einschränkung der gebotenen Rechschutzmöglichkeiten sowie eine Verlängerung der Inhaftierung aller Asyl- bzw. Flüchtlingsschutzsuchenden, die in das Land illegal eingereist sind, einschließlich Frauen, Kinder und besonders Schutzbedürftiger, vorsehen. Asylsuchenden kann nach den gegenwärtigen Erkenntnissen des Gerichts infolge der Gesetzesänderungen der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt werden, sollten sie durch eine der Länder eingereist sein, das die ungarischen Behörden nun als „sicher“ eingestuft haben. Jeder, der auf dem Weg nach Ungarn durch eines dieser Länder gereist ist, könnte ungeachtet des jeweiligen Herkunftslandes abgewiesen werden. Zu einer ganzen Reihe neuer Ablehnungsgründe zählt daher offenbar auch die Möglichkeit, die Anträge von Asyl- und Flüchtlingsschutzsuchenden, die durch „sichere Drittländer“ gekommen sind, für unzulässig zu erklären und diese in „sichere Drittstaaten“ zurückzuführen. Auf der von der ungarischen Regierung erstellten Liste soll unter den Begriff „sichere Drittstaaten“ neben Serbien, Albanien, Mazedonien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und Kosovo auch Griechenland fallen. Es kann daher derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass auch der Antragsteller bei einer Rückführung nach Ungarn von dem Risiko der Abschiebung nach Griechenland bedroht ist, ohne dass eine den europäischen Mindestanforderungen genügende Prüfung seiner Schutzbedürftigkeit erfolgen würde. Dies würde eine Verletzung des Non-Refoulement-Gebots der Genfer Flüchtlingskonventionen und der Europäischen Menschenrechtskonvention bedeuten […]. Vor diesem Hintergrund hat sich auch der UNHCR zutiefst besorgt darüber gezeigt, dass die vorgeschlagene Änderung des Asylrechts die Rücksendung von Asylbewerben in potentiell unsichere Drittstaaten ermögliche […]. Nicht unberücksichtigt bleiben können schließlich die Aktionen und Äußerungen der rechtsnationalen Regierung Ungarns der vergangenen Tage, die zur Überzeugung des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters ein Klima schaffen, das die ohnehin kaum noch tragbare Lage der Flüchtlinge in Ungarn weiter drastisch verschärfen wird […].