In today’s Chamber judgment in the case of Aden Ahmed v. Malta (application no. 55352/12), which is not final, the European Court of Human Rights held, unanimously, that there had been:
a violation of Article 3 (prohibition of inhuman or degrading treatment) of the European Convention on Human Rights; and,
a violation of Article 5 §§ 1 and 4 (right to liberty and security) of the Convention.
The case concerned a Somali national, Ms Ahmed, and her detention in Malta after entering the country irregularly, by boat, to seek asylum in February 2009. This is the first time the Court found a violation of Article 3 against Malta concerning immigration detention conditions. The Court was concerned about the conditions in which Ms Ahmed was detained in Lyster Barracks detention centre (Hal Far), notably the possible exposure of detainees to cold conditions, the lack of female staff in the detention centre, a complete lack of access to open air and exercise for periods of up to three months, an inadequate diet, and the particular vulnerability of Ms Ahmed due to her fragile health and personal emotional circumstances. Taken as a whole, those conditions, in which she had lived for 14 and a
half months as a detained immigrant, amounted to degrading treatment. Moreover, deportation proceedings were not in progress while Ms Ahmed was being detained and the Maltese authorities had taken no steps whatsoever to remove her, so her continued detention for 14 and half months was therefore unlawful. The Court also found that the domestic remedies in Malta had not provided Ms Ahmed with a speedy review of the lawfulness of her detention.
The national report presents the results of the research conducted in Malta. The first part of the report outlines the law and practice relating to the implementation of the Dublin Regulation at national level by outlining and examining the procedurethrough which migrants are transferred to and fromother EU Member States, in terms of the Regulation. The second partof the report outlines the experience of migrants, who had, at one point or another, been subject to the terms of the Regulation. The report then analyses the data findings and contains recommendations for improved practices andprocedures with proper guarantees of protection, at national level.
Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben, weil dem Antragsteller die Rückführung nach Ungarn unmittelbar bevorsteht und damit eine Eilbedürftigkeit für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes vorliegt. So wäre bereits die Erreichbarkeit des Antragstellers in Ungarn für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens nicht sichergestellt, sollte – wie von ihm behauptet und durch den Bericht des UNHCR gestützt – die konkrete Gefahr bestehen, dass er ohne Durchführung eines Asylverfahrens in Ungarn unmittelbar nach Serbien zurückgeschoben wird. Der Antragsteller muss somit bei einer Überstellung nach Ungarn Rechtsbeeinträchtigungen befürchten, die nach Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht mehr verhindert oder rückgängig gemacht werden könnten, so dass auch ein Anordnungsgrund glaubhaft vorliegt und eine Verweisung auf ein durchzuführendes Hauptsacheverfahren nicht möglich ist.
Wie oben ausgeführt, bestehen aber Anhaltspunkte dafür, dass der dem Antragsteller in Ungarn europarechtlich zu gewährleistende Schutz in Kern nicht sichergestellt ist.
Allerdings hat die Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung – wie auch der Kläger zu Recht ausführt – deshalb nicht in hinreichender Weise dargelegt, weil ihr Vorbringen […] nicht geeignet ist, eine der entscheidungstragenden Annahmen der Vorinstanz – es bestünde ein systemischer Mangel in der Behandlung von Asylverfahren auf Malta, weil der Aufenthalt von alleinstehenden Asylbewerbern in einem der als „Open Centre“ bezeichneten Lager nicht gesichert sei – in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat seine Annahme, in Malta bestehe die Gefahr einer erniedrigenden Behandlung […] auf eine Beitrag der Menschenrechtsorganisationen „pro Asyl“ und „bordermonitoring.eu e.V.“ mit dem Titel „Malta: Out of System“ gestützt. Der Bewertung des Verwaltungsgerichts hat die Beklage keine weiteren, neuen oder von dem Verwaltungsgericht nicht berücksichtigten Erkenntnismittel entgegengesetzt, nach denen hinreichende Anhaltspunkte für eine andere Tatsacheneinschätzung bestehen. Denn sie hat sich (immer noch) nicht ausreichend mit den Darlegungen des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt, dass auf der Grundlage des Beitrags der beiden Menschenrechtsorganisationen davon ausgeht, alleinstehende Asylbewerber – wie der Kläger – würden in diesen Lagern infolge Überfüllung nicht aufgenommen und erhielten dann auch keinerlei staatliche Unterstützung von den maltesischen Behörden.
Angesichts der genannten Informationen zur allgemeinen Situation von Asylsuchenden in Malta ist festzuhalten, dass die Vermutung, dieses Land beachte die den betroffenen Personen im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zustehenden Grundrechte in angemessener Weise, nicht ohne weiteres aufrechterhalten werden kann. Zwar ist damit – auf der Grundlage der heute vorliegenden Erkenntnisse – noch nicht gesagt, dass die festgestellten Mängel in Malta für Asylsuchende generell die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung mit sich bringen. Jedoch ist im Einzelfall die Frage zu stellen, ob die betroffene Person einer Kategorie zuzurechnen ist, deren Angehörige aufgrund ihrer
spezifischen Verletzlichkeit im Falle einer Überstellung nach Malta Gefahr laufen würden, wegen der dortigen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen eine Verletzung ihrer Grundrechte zu erleiden […]. Im vorliegenden Fall erweist sich jedoch ein anderer Aspekt als entscheidwesentlich. Aus der E-Mail der zuständigen maltesischen Behörde vom 9. März 2010 an das BFM (mit welchem das Einverständnis mit der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers erklärt wurde) geht hervor, dass Malta beabsichtigt, den Beschwerdeführer nach dem zeitlichen Verfall seines Schengen-Visums in seinen Heimatstaat Libyen zurückzuschaffen. (Im Wortlaut der genannten Mitteilung: „It would be highly appreciated if you could send the passport through an escort as we require the passport to repatriate the alien due to the expired visa.“) Es ist als offensichtlich zu erachten, dass eine derartige Handlungsweise der maltesischen Behörden einer krassen Missachtung der einschlägigen völkerrechtlichen Verpflichtungen (namentlich des Non-refoulement-Gebots; Art. 33 FK, Art. 3 EMRK, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105); vgl. auch Art. 25 Abs. 2 und 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV, [SR 101]) wie auch der geltenden Bestimmungen des Dublin-Regimes (welchen Malta als Mitgliedstaat der Europäischen Union unterworfen ist) gleichkäme. Zugleich ist angesichts der dokumentierten Rechtsverstösse der maltesischen Behörden, insbesondere der Hinweise auf in der Vergangenheit bereits erfolgte völkerrechtswidrige Rückschaffungen von Asylsuchenden in Drittstaaten (vgl. E. 7.2.2), keineswegs auszuschliessen,
dass dem Beschwerdeführer eine solche Behandlung auch tatsächlich drohen würde. Vielmehr ist nach dem Gesagten im vorliegenden Fall nicht ausreichend Gewähr dafür gegeben, dass der Beschwerdeführer bei einem Vollzug der Wegweisung nach Malta seitens der dortigen Behörden mit einer verfahrensmässigen Behandlung im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Dublin-Regimes rechnen könnte.
Im Oktober 2012 veröffentlichte der UNHCR eine Stellungnahme, in welcher er die Dublin-Staaten aufforderte, von Überstellungen nach Ungarn abzusehen, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Betreffende über Serbien eingereist ist. Wörtlich hieß es in dem Papier:
The organization is also particularly concerned about Hungary’s continuing policy and practice of considering Serbia as a safe third country, and returning asylum-seekers to that country without an in-merit examination of their claims. UNHCR has now also documented the many important areas in which improvement is needed in the Serbian asylum system. The significant obstacles to a fair and effective claim examination for asylum-seekers in Serbia, and the documented practice of onward removal of asylum-seekers to Serbia’s neighboring countries, creates a significant risk of refoulement for asylum-seekers returned to Serbia from Hungary. On this basis, UNHCR recommends that Dublin participating States refrain from transferring asylum-seekers under the Dublin II Regulation to Hungary, in cases where those asylum-seekers have or may have been in Serbia prior to entering Hungary.
Diese Stellungnahme ist aktuell wieder von großer Bedeutung, da das ungarische Parlament Anfang Juli 2015 ein Gesetz verabschiedete, das dazu führen wird, dass Serbien wieder als sicherer Drittstaat betrachtet werden wird. Aktuelle Berichte zur Situation in Serbien sind hier aufgelistet.
Den Ausführungen in den beiden genannten Abhandlungen, die auf Tatsachenberichten basieren, schließt sich das Gericht an. Dem Gericht scheint es als unverantwortlich, den Kläger nach Ungarn abzuschieben, da er im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Gefahr stünde, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger nach seiner Rückkehr sogleich inhaftiert würde, wie dies bei allen illegal eingereisten Asylsuchenden flächendeckend der Fall ist […]. Die Bedingungen in den großen Zentren Hal Far Tent Village und Hal Far Hanger Open Centre sind prekär. Die Zustände erinnern eher an eine Notsituation in einem Katastrophengebiet als an eine dauerhafte Unterkunft für Personen, von denen viele bereits einen Schutzstatus erhalten haben […]. Diese Bewertungen werden durch den Bericht von bordermonitoring.eu/Pro Asyl bestätigt, der die Ergebnisse einer im September 2011 durchgeführten Recherchereise wiedergibt.
Boat migrants arriving in Malta are taken straight to detention if they lack an entry visa (asthey virtually all do). This report addresses their arbitrary, indiscriminate, and unfair detention. The report focuses on those who arrive in Malta by boat, as migrants who arrivein Malta by air for the most part are not detained, even if they enter under false pretenses or subsequently claim asylum. Asylum seekers who arrive by boat are detained for up to 12 months, and migrants who do not apply for asylum, or whose asylum claims are rejected,can be detained for up to 18 months. Under international law migrants who do not have permission to enter or stay in a country may be subject to detention, in certain circumstances, and also may be subject tosafeguards. However in Malta, the detention policy operates in an automated, indiscriminate, and blanket manner in violation ofinternational law.
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