Von entscheidender Wichtigkeit für das erkennende Gericht ist dabei, dass beiden Entscheidungen des Österreichischen Asylgerichtshofes eine Mitteilung des UNHCR vom 17.10.2011 zugrunde liegt, worin die Situation von Flüchtlingen in Ungarn als „beunruhigend“ bezeichnet wird. Es wird in diesem Bericht überdies von einer „generellen Inhaftierung von Asylsuchenden“ gesprochen sowie davon, dass das „Hauptproblem Misshandlungen durch die Polizeikräfte in den Hafteinrichtungen“ sei. Von daher ist es nachvollziehbar, dass der Österreichische Asylgerichtshof zu der Einschätzung gelangte, polizeiliche Übergriffe gegenüber Asylbewerbern in Ungarn stellten nicht bloß Einzelfälle dar.
Abgesehen von den vom Antragstellervertreter im vorliegenden Eilverfahren in Bezug genommenen Unterlagen ergibt sich auch aus einem vom Gericht recherchierten Artikel von Welt-Online vom 10.01.2012, dass Ungarn bereits in den vergangenen Jahren vom UNHCR scharf kritisiert worden sei, weil Flüchtlinge dort außerordentlich hart behandelt würden. So habe Ungarn diesem Artikel zufolge nach einem UNHCR-Bericht vom Herbst 2010 gegen das internationale Rechtsprinzip verstoßen, Flüchtlinge nicht in Länder abzuschieben, in denen ihnen Gefahr drohe. Außerdem kritisierte die UN-Behörde danach vor zwei Jahren bereits, dass Flüchtlinge in Ungarn häufig unter gefängnisähnlichen Umständen eingesperrt würden. Der UNHCR sei deshalb „besorgt“.
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VG Regensburg 7. Kammer / Az.: RO 7 K 11.30393
Aufgrund dieses Sachverhalts wäre an einen Verstoß gegen Menschenrechte durch den Aufnahmestaat Malta zu denken, so dass eine Ausnahme entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegeben wäre. Von einer drohenden Inhaftierung wäre der Kläger, der schon einen Schutzstatus erlangt hat, allerdings nicht mehr betroffen Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update November 2011, S. 4). Zu den Lebensbedingungen
für Migranten hat der EGMR in der Entscheidung vom 21.1.2011 (M.S.S v. Belgium u. Greece, Az. 30696/09) zum Aufnahmestaat Griechenland festgestellt, dass unzureichende Lebensbedingungen eine erniedrigende Behandlung i.S. Art. 3 EMRK darstellen können. Dieser Entscheidung liegt der Sachverhalt der komplett fehlenden staatlichen Unterstützung zugrunde und es wird die besondere Schutzbedürftigkeit von Asylbewerbern betont. Außer in dieser Entscheidung wurde bisher ein allgemeiner Anspruch auf Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom EGMR nicht anerkannt (vgl. Thym, Menschenrechtliche
Feinjustierung des Dublin-Systems zur Asylzuständigkeitsabgrenzung, ZAR 2011, S. 368 ff.)
In Malta sind aufgrund der regelmäßigen Gewährung mindestens subsidiären Schutzes überwiegend Personen mit Aufenthaltsstatus betroffen; es wird eine zumindest das Überleben sichernde staatliche Unterstützung gewährt. Fraglich ist, ob aufgrund der tatsächlich in
Malta kaum vorhandenen Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit für diesen Personenkreis die gleiche Schutzbedürftigkeit wie bei Asylbewerbern zu bejahen ist und ob eine erniedrigende Behandlung auch dann vorliegt, wenn zwar das Überleben, nicht aber ein menschenwürdiges Dasein gesichert ist. Die Frage eines Menschenrechtsverstoßes kann hier offen bleiben […]. Es liegen hier zwar keine humanitären Gründe i. S. Art. 15 der Dublin-II-VO vor, da dieser allein an die Familienzusammenführung anknüpft. Daneben besteht aber die allgemeine Ermächtigung des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO, die die Berücksichtigung (sonstiger) humanitärer Gründe und politischer Gründe zulässt. Dazu wann solche Gründe aufgrund der allgemeinen Bedingungen im Aufnahmestaat vorliegen, hat sich der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung vom
21.12.2011 (Az. C-411/10, C-493/10) geäußert. Danach genügt nicht jeder Verstoß gegen die EG-Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (Ziff. 82-85). Falls dagegen
ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta der EU implizieren, ist die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (Ziff. 86). Es besteht demnach ein ähnlicher Maßstab wie bei den vom Bundesverfassungsgericht für eine Ausnahme von § 26a AsylVfG anerkannten Fallgruppen. Die auf Vorlage einer entsprechenden Rechtsfrage von englischen und irländischen Gerichten ergangene Entscheidung besagt aber nicht, dass das Selbsteintrittsrecht nur unter
den genannten Voraussetzungen ausgeübt werden darf. Vielmehr ergibt sich aus ihr, dass in diesem Fall, wenn nicht die Überstellung in einen anderen nachrangig zuständigen Staat möglich ist (vgl. Ziff. 96-98), das Selbsteintrittsrecht ausgeübt werden muss. Daneben verbleiben die Fälle, in denen entsprechend dem ursprünglichen Zweck der Ermächtigung das Ermessen im Einzelfall ausgeübt werden kann. Die geschilderten Lebensbedingungen in Malta bieten Anlass für die Prüfung, ob nicht auch unterhalb der Schwelle der zu bejahenden Menschenrechtsverletzung aus humanitären Gründen das Selbsteintrittsrecht ausgeübt wird. Diese Möglichkeit ist durch das Europarecht eröffnet, das im Rang über dem nationalen Recht einschließlich des Grundgesetzes steht […]. Nach den Ausführungen des Bescheids geht die Behörde davon aus, dass es in Malta „in Einzelfällen zu Defiziten bei der Anwendung des EU-Flüchtlingsrechts und zu persönlichen Härten für die Flüchtlinge“ kommen kann. Diese Feststellung ist mit der oben beschriebenen allgemeinen Situation in Malta nicht zu vereinbaren. Es liegen insoweit regelmäßige und übereinstimmende Berichte internationaler Nichtregierungsorganisationen, die Stellungnahmen des U.S. Department of State, die Stellungnahme einer Institution der EG und eine eigene Stellungnahme der maltesischen Regierung vor. Erkenntnisse aus solchen Quellen sind nach der Entscheidung des EuGH vom 21.12.2011 (Ziff. 90 – 92) von dem Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen will, zu berücksichtigen. In dem Bescheid wird zudem nicht ausgeführt, auf welcher Grundlage die anderweitige Einschätzung des Bundesamts beruht. Die Behörde geht demnach von einem unzutreffenden Sachverhalt aus […].Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Anspruch des Klägers auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung durch den angefochtenen Bescheid aufgrund der enthaltenen Ermessensfehler nicht erfüllt ist. Es ist daher die Zuständigkeit für das Asylverfahren des Klägers offen, so dass die Tatbestandsvoraussetzung der (feststehenden) Zuständigkeit eines anderen Staates nach § 27a AsylVfG nicht gegeben ist. Die Rechtsvorschrift des § 26a Satz 1 AsylVfG würde die im streitgegenständlichen Bescheid getroffene Feststellung, dass der Asylantrag (bereits) unzulässig ist, schon nicht decken. Außerdem steht erst nach ordnungsgemäßer Ermessensausübung fest, ob nicht eine Ausnahme von der Anwendbarkeit der Vorschrift gemäß § 26a Satz 2 Nr. 2 AsylVfG gegeben ist. Mangels unzulässigem Asylantrag besteht auch keine Rechtsgrundlage für die in Ziff. 2 des Bescheids angeordnete Abschiebung. Schon deshalb war der streitgegenständliche Bescheid aufzuheben. Es kommt nicht darauf an, ob aufgrund der allgemeinen Lage in Malta auch ein Ausnahmefall entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Konzept der normativen Vergewisserung zu bejahen ist oder ob eine Pflicht zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts wegen
grundrechtsverletzender systemischer Mängel entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gegeben ist.
VG Regensburg 7. Kammer / Az.: RO 7 K 11.30142
Da der Kläger aus einem geschlossenen Zentrum geflohen ist, ist zu erwarten, dass er auch bei Rückkehr wieder in einem solchen untergebracht wird (Update der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom November 2011, S. 4). Es gibt keine Gewähr, dass sein Asylverfahren wieder aufgenommen wird (vgl. Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 6.9.2010, S. 19). Die geschilderte monatelange Inhaftierung des Klägers verstößt gegen Art. 5 EMRK. Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. Entsch. vom 22.7.2010, Az. 12186/08) ist die Inhaftierung von unerlaubt einreisenden Personen zwar nicht grundsätzlich verboten. Die Freiheitsentziehung muss aber in gutem Glauben vorgenommen werden, strikt auf den Zweck abgestellt sein, eine unerlaubte Einreise zu verhindern, und darf nur so lange dauern, wie es für das verfolgte Ziel notwendig ist. Außerdem müssen der Ort der Unterbringung und ihre Bedingungen angemessen sein. Nachdem in Malta die Mehrheit der einreisenden somalischen Flüchtlinge zumindest subsidiären Schutz erhält, ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die monatelange Inhaftierung noch dem Zweck der Verhinderung einer unerlaubten Einreise dient; der Ausnahmetatbestand nach Art. 5 Buchst. f) EMRK ist daher jedenfalls bei somalischen Staatsangehörigen nicht gegeben, da auch in Malta bekannt sein dürfte, dass diese aufgrund der Verhältnisse im Heimatland ihre Staatsangehörigkeit regelmäßig nicht durch Identitätspapiere nachweisen können. Daneben sind die beschriebenen Haftbedingungen unangemessen und stellen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach Art. 3 EMRK dar. Insbesondere hat auch der Kläger geschildert, dass er mehrere Monate lang mit 24 Leuten in einem einzigen Raum untergebracht war. Darüber hinaus ist aus der Stellungnahme der maltesischen Regierung zum Bericht von Hammerberg zu schließen, dass es weiterhin keine Höchstdauer der Haft und keine effektive gerichtliche Überprüfung der Haft gibt.