[Es] kann dahinstehen, ob der Antragsteller in Ungarn überhaupt um Asyl nachgesucht hat. Denn es steht zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht im Sinne des § 34a AsylVfG fest, dass die Abschiebung nach Ungarn durchgeführt werden kann. Gemäß § 27 AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Soll der Ausländer in einen nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald „feststeht“, dass sie durchgeführt werden kann […]. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es fehlt an der praktischen Möglichkeit der zeitnahen Abschiebung. Zwar hat Ungarn seine Zustimmung zur Rückübernahme des Antragstellers in seinen Hoheitsbereich erteilt. Jedoch steht derzeit nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, weil Ungarn unter dem 29.05.2015 […] eine zeitlich begrenzte Rücknahmesperre bis zum 05.08.2015 ausgesprochen hat. Ungarn bittet darum, bis zum 05.08.2015 keine Flüchtlinge zu überstellen, da die Kapazitäten erschöpft seien. Die Abschiebung kann daher nicht in allernächster Zeit durchgeführt werden.
Politisch und medial steht das Thema Flüchtlinge in Europa weit oben auf der Agenda. In der Diskussion um die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union stehen aber oftmals nationalstaatliche Interessen und Zahlen im Vordergrund. Leicht vergisst man da, dass diese Menschen meist tragische, persönliche Schicksale und Geschichten erlitten haben. Wie jene Asylsuchenden, die in Malta am Arbeitsstrich ihr Überleben sichern. Von Europa fühlen sie sich im Stich gelassen. „Wirklich interessieren tun sich die wenigsten für uns“, sagt Joseph, ein Flüchtling aus Eritrea im Gespräch mit der APA in Malta. Hoffnungslos überfordert sei die maltesische Regierung, aber wohl auch die gesamte EU, meint der Mittdreißiger. Weil sie vom Staat nur bis zu 300 Euro pro Monat – wenn überhaupt – erhalten, versuchen viele der Flüchtlinge, auf den Straßen Tagesjobs zu ergattern.
Der Bewertung des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte keine weiteren, neuen oder von dem Verwaltungsgericht nicht berücksichtigten Erkenntnismittel entgegengesetzt, nach denen hinreichende Anhaltspunkte für eine andere Tatsacheneinschätzung besehen. Denn sie hat sich inhaltlich fast garnicht mit den Darlegungen des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt, das auf der Grundlage der genannten Beiträge davon ausgeht, „Dublin-Rückkehrer“ würden in der Regel in sog. „Open-Centres“ untergebracht, bei denen alles in allem die Lebensumstände, abgesehen von wenigen Ausnahmen, auf Grund niedriger hygienischer Standards, schwerer Überbelegung, fehlen von physischer Sicherheit, Platzierung in abgelegenen Gegenden und Rattenplagen extrem herausfordernd seien […]. Dass keine Empfehlung des UNHCR bestehe, Überstellungen nach Malta zu unterlassen, und auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) der Europäischen Kommission bisher nicht über systemische Mängel in Malta berichtet habe, ist trotz der besonderen Bedeutung dieser Stellungnahmen […] angesichts der vom Verwaltungsgericht benannten, detaillierten Berichte verschiedener Menschenrechtsorganisationen ebenfalls nicht ausreichend […]. Es ist […] Aufgabe der Beklagen, durch die Benennung bestimmter Auskünfte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, sondern – mit der Folge der etwaigen Durchführung eines Berufungsverfahrens – ihre gegenteilige Bewertung in der Antragsschrift zutreffend ist. Insbesondere ist es nicht ausreichend, pauschal auf andere Berichte und Stellungnahmen zu verweisen, ohne nähere Ausführungen zu deren Inhalt zu treffen und diese konkret zu belegen.
ob das Asyl- und Aufnahmeverfahren in Ungarn systemische Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-Verordnung aufweist, die einer Überstellung des Antragstellers nach Ungarn entgegenstehen. Nach den aktuellen Auskünften zur Asylpraxis in Ungarn bestehen hierfür zumindest erhebliche Anhaltspunkte.
[A]nders als das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Kammer insbesondere gerade aufgrund der jüngsten vom VG Düsseldorf herangezogenen Erkenntnisse […] nach wie vor erhebliche Bedenken, ob Dublin-Rückkehrern wie dem Antragsteller derzeit eine Rückkehr nach Ungarn zuzumuten ist.
Der EGMR hat in zwei Entscheidungen […] keine Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK bei einer Überstellung nach Ungarn gesehen. Dabei ist der Gerichtshof u.a. davon ausgegangen, dass es keine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden mehr gebe, Verbesserungen bei den Haftbedingungen eingetreten seien und der UNHCR sich bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe. Neuere Erkenntnisse begründen jedoch Zweifel daran, dass diese Einschätzung noch Bestand haben kann. So weist UNHCR in seiner Auskunft an das VG Düsseldorf vom 30.9.2014 darauf hin, dass praktisch alle Dublin-Rückkehrer inhaftiert würden. Offenbar gingen die ungarischen Behörden davon aus, dass diese untertauchten und die Entscheidungen in ihrem Verfahren nicht abwarten würden, da sie Ungarn ja schon einmal verlassen hätten. Da Asylsuchende meist bereits traumatisierende Erfahrungen gemacht hätten, könne eine Inhaftierung sie mit besonderer Härte treffen. Pro Asyl schreibt in seiner in Kooperation mit dem ungarischen Helsinki-Komitee (HHC) erarbeiteten Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 31.10.2014, Dublin-Rückkehrer würden regelmäßig inhaftiert, allerdings würden nicht sämtliche Rückkehrer in Haft genommen. Zwar mag es zutreffen, dass die Haftgründe des ungarischen Rechts insofern überwiegend denjenigen der am 19.07.2013 in Kraft getretenen Richtlinie 2013/33/EU entsprechen. Allerdings lässt die Inhaftierungspraxis auf eine extrem weite und in Hinblick auf Art. 3 EMRK problematische Auslegung schließen. Dies wird auch durch die Auskunft von Pro Asyl unter Berufung auf das HHC belegt, der zufolge in der Mehrheit der Haftanordnungen auf Gründe verwiesen wird, die nicht unter die gesetzlich definierten Haftgründe fallen. Zudem wird die gerichtliche Überprüfung und Kontrolle der Haftgründe bzw. -verlängerungen in beiden Auskünften als mangelhaft dargestellt. Insbesondere gibt es danach offenbar keine einzelfallbezogene Prüfung der Haftgründe und auch keine einzelfallbezogene Begründung der Entscheidungen. Hinzu kommt, dass lt. UNHCR (Auskunft vom 30.09.2014) und Pro Asyl (Auskunft vom 31.10.2014) eine effektive rechtliche Beratung für die Mehrheit der inhaftierten Asylsuchenden nicht verfügbar ist, obwohl diese gesetzlich vorgesehen sei. Von UNHCR (a.a.O.) wird ferner berichtet, dass inhaftierte Asylsuchende zu Terminen außerhalb der Hafteinrichtungen wie Strafgefangene in Handschellen und an einer Leine geführt würden. Dies alles lässt zumindest starke Zweifel daran aufkommen, ob die geschilderten Bedingungen, denen auch der Antragsteller wahrscheinlich ausgesetzt wäre, mit Art. 3 EMRK vereinbar sind oder ob sie nicht gegen die Menschenwürde verstoßen. Schließlich hat auch UNHCR in seiner Auskunft vom 30.9.2014 an das VG Bremen ausgeführt, aus der Tatsache, dass in einem UNHCR-Papier keine Äußerung enthalten sei, ob bestimmte Mängel einer Überstellung in den betreffenden Staat entgegenstünden, könne nicht geschlossen werden, dass UNHCR die Auffassung vertrete, es lägen keine einer solchen Überstellung entgegenstehenden Umstände vor bzw. könnten im Einzelfall nicht vorliegen.
Dem Kindeswohl ist bei der Entscheidung über die Zuständigkeit nach der Dublin III-Verordnung besonders Rechnung zu tragen […]. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel ist davon auszugehen, dass die Unterbringungsbedingungen für Familien mit minderjährigen Kindern in Ungarn […] systemische Mängel aufweisen […]. Dem Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen zufolge werden in Ungarn seit September 2014 auch Familien mit minderjährigen Kindern inhaftiert […]. Die Sachlage in Ungarn hat sich damit für asylsuchende Familien seit September 2014 grundlegend verändert. In früheren Berichten war davon ausgegangen worden, dass von der Möglichkeit der Inhaftierung dieser Personengruppe in der Praxis kein Gebrauch gemacht werde […]. Es ist demnach mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bei den Klägern im Falle einer Rückkehr nach Ungarn wegen ihrer Weiterreise während des dortigen Asylverfahrens der Haftgrund einer Verzögerung des Asylverfahrens angenommen und eine Haft angeordnet werden würde. Nach den Feststellungen von ECRE […] werden zu inhaftierende Familien Unterkünften in Békéscsaba und Debrecen zugewiesen. Diese Einrichtungen seien für die Inhaftierung von Familien nicht geeignet […]. Diese Feststellungen sind schlüssig und glaubhaft […]. Zwar findet sich in einer Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19. November 2014 […] die Aussage, dass die Unterbringung von Familien im Rahmen der Asylhaft in Einrichtungen erfolge, welche auf die spezifischen Bedürfnisse von Familien mit minderjährigen Kindern eingerichtet seien. Diese global gehaltene Einschätzung ist jedoch nicht geeignet, die vorstehend zitierten detaillierten Feststellungen zu entkräften […]. Ist schon die Lage für Rückkehrer mit Kindern schwierig, so gilt dies erst Recht für diese Familie, da die Klägerin zu 3) behindert und blind ist.
This booklet is the outcome of group sessions held by JRS Malta with Somali women, most of whom are awaiting the outcome of their asylum application. The aim of the JRS project was to make the women aware that they could actually be active agents of change in their own lives, to identify challenges they face as migrants in Malta and to help them to advocate for improved services. This reflects our policy to include an advocacy element in our programs and to advocate not only for but with refugees. The women who contributed to this booklet all had their initial asylum application rejected – a few had received a second rejection on appeal as well – and all were in detention when we started the group sessions. The decision to work with women who had been in detention for a long time was a natural one for JRS to take because we always prioritise people who find themselves in this predicament.
Mit diesem Urteil wird der Dublin-Bescheid aufgehoben, da in Ungarn nach dem AIDA-Bericht vom 4.11.2014 auch Familien mit minderjährigen Kindern inhaftiert werden und es keinerlei Absprachen zwischen Deutschland und Ungarn im Hinblick auf die Unterbringung der Familie gab.
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