VG Düsseldorf 8. Kammer / Az.: 8 L 2806/15.A / Ungarn

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Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines nach § 80 Abs. 5 VwGO erlassenen Beschlusses wegen veränderter Umstände beantragen […].

Nach den vor vorstehenden Informationen sind die Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit nach dem Dublin III-Abkommen und zur Prüfung eines Asylgesuchs in Zuständigkeit des ungarischen Staates sowohl vor den ungarischen Behörden wir vor den ungarischen Gerichten etwa durch die Verkürzung von Fristen und die an Firstversäumnisse angeknüpften Sanktionen sowie neu gefasste Beweislastregeln formell wie materiell in einer Weise verändert worden, die ernsthaft befürchten lässt, dass das ungarische Asylrecht seit dem 1. August 2015 hinter den Verfahrensgarantien der Dublin III-Verordnung und den Vorgaben der Qualifikationsrichtline zurückbleibt und die in Ungarn Schutzsuchenden auch in Rechten verletzt, die ihnen auf europäischer Ebene grundrechtlich verbürgt sind.

Zudem besteht insbesondere durch die Aufnahme von Serbien – neben allen anderen an Ungarn angrenzenden Staaten – in die Liste der sicheren Drittstaaten die Gefahr, dass Schutzsuchende nach einer Überstellung nach Ungarn ohne inhaltliche Prüfung ihrer Fluchtgründe in Staaten abgeschoben werden, für die zumindest zweifelhaft ist, dass die dortigen Asylverfahren den europäischen Mindestanforderungen entsprechen und Abschiebungen in andere nicht sichere Drittstaaten oder Rückführungen in das Herkunftsland des Schutzsuchenden unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ausgeschlossen sind. Nach den Feststellungen des Europäischen Kommissars für Menschenrechte bestehen jedenfalls hinsichtlich Serbien erhebliche Zweifel daran, dass das dortige Asylverfahren den europäischen Mindestanforderungen entspricht […].

VG Minden 10. Kammer / 10 L 285/15.A / Ungarn

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Bei Anlegung dieses Maßstabs ergeben sich aus den am Gericht vorliegenden aktuellen Erkenntnissen ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingen für Asylbewerber in Ungarn derzeit systemische Mängel aufweisen, aufgrund derer die Antragstellerin konkrete Gefahr läuft, im Falle ihrer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden […].

a) Es liegen ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür vor, dass bestimmte Gruppen von Asylbewerbern im Falle einer Ablehnung ihres Asylantrags in Ungarn kein effektiver Rechtsschutz gewährt wird. Einem Bericht des Hungarian Helsinki Committee zufolge sind Klagen gegen Bescheide, mit denen ein Asylantrag in dem ab dem 1. August 2015 neu eingeführten beschleunigtem Verwaltungsverfahren abgelehnt wurden, innerhalb von drei Kalendertagen zu erheben […]. Dasselbe gilt für die Klage gegen einen Dublin-Bescheid, mit dem die Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verfügt wird […]. Allerdings reicht die Kürze der Klagefrist allein nicht aus, um die Gewährung effektiven Rechtsschutzes zu verneinen. Vielmehr sind sämtliche Voraussetzungen der Klageerhebung zu würdigen. Insoweit ist insbesondere von Belang, bei welcher Behörde bzw. welchem Gericht eine Klage zu erheben ist, welche Kosten damit verbunden sind, in welcher Sprache die Klageschrift zu verfassen ist und ob ggf. die Hilfe eines Übersetzers in Anspruch genommen werden kann, ob die Klagebegründung ebenfalls innerhalb der Frist einzureichen ist sowie und zu welchen Kosten ein Rechtsbeistand in Anspruch genommen werden kann […]. Die Klärung dieser Umstände muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

b) Ferner liegen ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Möglichkeiten, Asylbewerber zu inhaftieren, aufgrund der am 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen des ungarischen Asylrechts wesentlich ausgeweitet wurden. Unklar ist nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen allerdings, wie weit diese Änderungen im Einzelnen gehen. Nach Darstellung des Hungarian Helsinki Committee wurde die Dauer der Asylhaft („asylum detention“) auf die Dauer des gerichtlichen Verfahrens erstreckt und ein neuer Haftgrund eingeführt, wonach eine Inhaftierung nunmehr auch im Falle einer ernstlichen Gefahr des Untertauchens („serious danger of absconding“) eines Asylbewerbers möglich sein soll […]. Dagegen berichtet UNHCR über die Zulässigkeit einer anhaltenden Inhaftierung von Asylsuchenden („prolonged detention of asylum-seekers“), ohne näher auf die Voraussetzungen für eine Inhaftierung einzugehen […]. Andere Beobachter sprechen davon, dass Asylbewerber künftig wieder – wie bereits bis 2012 üblich – für die Dauer der Antragsbearbeitung inhaftiert werden können […]. Für Letzteres sprechen auch Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden der Regierungspartei Fidesz, Antal Rogan, der sich für eine Rückkehr zur bis 2012 geltenden Rechtslage aussprach […]. Die Klärung der Fragen, ob mit den jüngsten Änderungen tatsächlich eine Rückkehr zur bis 2012 geltenden Rechtslage erfolgt ist und inwieweit von den gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten tatsächlich Gebrauch gemacht wird, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

c) Vor dem Hintergrund stark gestiegener Zugangszahlen liegen zudem ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür vor, dass die ungarischen Behörden derzeit nicht mehr in der Lage sind, Asylbewerber angemessen mit Unterkunft, Nahrung, Kleidung und sonstigem täglichem Bedarf […] zu versorgen und ihnen zumindest eine medizinische Notversorgung […] zukommen zu lassen […]. Die Zahl der in Ungarn gestellten Asylanträge hat sich zwischen 2012 (2.157) und 2014 (knapp 43.000) fast verzwanzigfacht […]. Im ersten Halbjahr 2015 sind bereits knapp 67.000 Asylanträge in Ungarn gestellt worden […]. Dem stehen insgesamt knapp 2.000 Aufnahmeplätze in offenen und knapp 500 Aufnahmeplätze in geschlossenen Einrichtungen gegenüber. Allerdings ist bei dieser Gegenüberstellung zu berücksichtigen, dass etwa 80 bis 90 % der Asylbewerber Ungarn nicht als das Ziel ihrer Flucht, sondern nur als Transitland betrachten und Ungarn bereits nach kurzer Zeit, oftmals bereits nach mehreren Tagen, wieder verlassen […]. Folglich kann aus dem auf den ersten Blick bestehenden Missverhältnis zwischen der Anzahl der Asylbewerber und der Anzahl der Unterbringungsplätze nicht ohne Weiteres auf einen gravierenden Kapazitätsengpass geschlossen werden […]. Dementsprechend berichtete das European Asylum Support Office, dass die Unterbringungsplätze noch im März 2015 lediglich zu 60 bis 70 % ausgelastet waren […]. Jedoch hat sich die ungarische Regierung im Juni 2015 selbst darauf berufen, dass Ungarn keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen könne, weil die dortigen Aufnahmekapazitäten erschöpft seien […]. Aktuelle Berichte über die Zustände in ungarischen Flüchtlingslagern scheinen die Einschätzung der ungarischen Regierung zu bestätigen […]. Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden ihre Aufnahmekapazitäten zwischenzeitlich aufgestockt haben oder entsprechende Planungen erfolgen, lassen sich den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. Die weitere Klärung aller damit zusammenhängenden Fragen bleibt ebenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

d) Eine weitere zum 1. August 2015 in Kraft getretene Änderung des ungarischen Asylrechts beinhaltet den Erlass einer Regierungsverordnung, mit der u.a. Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien zu sicheren Drittstaaten erklärt werden. Asylanträge von Personen, die über eines dieser Länder nach Ungarn eingereist sind, sind als unzulässig abzuweisen. Dies betrifft nach Einschätzung des Hungarian Helsinki Committee 99 % aller nach Ungarn eingereisten Asylbewerber, da diese vorliegenden Erkenntnissen zufolge derzeit nahezu ausschließlich über Serbien nach Ungarn einreisen […]. Von dieser Änderung ist die Antragstellerin allerdings nicht betroffen, da sie nach ihren wiederholten Angaben über Italien nach Ungarn eingereist ist.

LG Kempten / Az. 42 T 1321/15 / Ungarn

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Der Betroffene […] reiste unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht Kempten am 09.07.2015 Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach Ungarn […] angeordnet. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Betroffenen vom 29.07.2015.  Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen […]. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die Haftanordnung, die das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss vom 09.07 ausgesprochen hat, nicht zulässig. Nach § 62 3 S. 3 AufenthG ist die Sicherungshaft unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zwischenzeitlich eine neue Leitlinie bekannt werden lassen, wonach das Dublin-Verfahren für syrische Staatsangehörige ausgesetzt wird. Das bedeutet, syrische Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragt haben, nicht mehr nach der Dublin-III-VO in die EU-Länder zurückgeschoben werden, in denen sie zuerst registriert worden sind, insbesondere nicht nach Ungarn. Die Leitlinie  ist unbefristet. Vor diesem Hintergrund kommt in absehbarer Zeit, jedenfalls nicht innerhalb der nächsten 3 Monate, eine Zurückschiebung nach Ungarn nicht in Betracht, erst recht nicht unter Berücksichtigung der Situation der Flüchtlinge in Ungarn, die in den von der Beschwerdeführerin zitierten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen thematisiert wird. Abgesehen davon wäre eine  fortdauernde Inhaftierung des Betroffenen vor diesem Hintergrund auch unverhältnismäßig. Nach alledem war der Haftbefehl des Amtsgerichts aufzuheben.

VG Düsseldorf 22. Kammer / Az.: 22 L 2558/15.A / Ungarn

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Demgegenüber ergeben sich jedoch hinsichtlich des Asylverfahrens in Ungarn solche hinreichenden Anhaltspunkte aus den am 6. Juli 2015 beschlossenen und zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen des ungarischen Asylrechts, soweit sie sich aus frei zugänglichen Veröffentlichungen ergeben[…]. Insbesondere begründet die Aufnahme von Serbien – neben allen anderen an Ungarn angrenzenden Staaten – in die Liste der sicheren Drittstaaten die Gefahr, dass der betroffene Antragsteller keinen Zugang zu einem Asylverfahren erhält, in dem eine inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe vorgenommen würde. Es besteht die Gefahr, dass er bei einer Überstellung nach Ungarn durch die dortigen Behörden ohne inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe nach europäischen Mindeststandards beispielsweise nach Serbien abgeschoben wird. Nach den Feststellungen des Europäischen Kommissars für Menschenrechte ist jedoch jedenfalls hinsichtlich Serbien äußerst zweifelhaft, dass das dortige Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen den europäischen Mindestanforderungen entsprechen […]. Damit liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Ungarn eine weitere Abschiebung in ein nicht sicheres Drittland und damit in sein Herkunftsland droht, ohne ihm Zugang zu einem Verfahren auf Zuerkennung internationalen Schutzes zu gewährleisten in dem seine Fluchtgründe inhaltlich geprüft werden. Darin läge zugleich ein Verstoß gegen das Refoulement-Verboten zu Lasten des Antragstellers […].

VG Düsseldorf 22. Kammer / Az.: 22 L 2559/15.A / Ungarn

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Demgegenüber ergeben sich jedoch hinsichtlich des Asylverfahrens in Ungarn solche hinreichenden Anhaltspunkte aus den am 6. Juli 2015 beschlossenen und zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen des ungarischen Asylrechts, soweit sie sich aus frei zugänglichen Veröffentlichungen ergeben[…]. Insbesondere begründet die Aufnahme von Serbien – neben allen anderen an Ungarn angrenzenden Staaten – in die Liste der sicheren Drittstaaten die Gefahr, dass der betroffene Antragsteller keinen Zugang zu einem Asylverfahren erhält, in dem eine inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe vorgenommen würde. Es besteht die Gefahr, dass er bei einer Überstellung nach Ungarn durch die dortigen Behörden ohne inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe nach europäischen Mindeststandards beispielsweise nach Serbien abgeschoben wird. Nach den Feststellungen des Europäischen Kommissars für Menschenrechte ist jedoch jedenfalls hinsichtlich Serbien äußerst zweifelhaft, dass das dortige Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen den europäischen Mindestanforderungen entsprechen […]. Damit liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Ungarn eine weitere Abschiebung in ein nicht sicheres Drittland und damit in sein Herkunftsland droht, ohne ihm Zugang zu einem Verfahren auf Zuerkennung internationalen Schutzes zu gewährleisten in dem seine Fluchtgründe inhaltlich geprüft werden. Darin läge zugleich ein Verstoß gegen das Refoulement-Verboten zu Lasten des Antragstellers […].

Stellungnahme des Ungarischen Helsinki Komitees

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In dieser aktuellen, englischsprachigen Stellungnahme beschreibt und bewertet das Ungarische Helsinki Komitee die Gesetzesverschärfungen in Ungarn, welche zum 1.7.2015 in Kraft getreten sind.

VG Frankfurt Oder 3. Kammer / Az.: VG 3 L 169/15.A / Ungarn

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Aus Anlass des vorliegenden Verfahrens kann offen bleiben, ob diese Bereitschaft durchgreifend dadurch in Zweifel gezogen wird,  dass zwischenzeitlich berichtet worden war, die ungarische Regierung  habe beschlossen, die europäische Dublin III-Verordnung einseitig und auf unbestimmte Zeit zu suspendieren; dementsprechend  werde Ungarn keine in andere EU-Länder weitergereiste Flüchtlinge mehr zurücknehmen […].  Denn eine Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn ist jedenfalls aus Gründen höherrangigen Rechts unzulässig.

Eine Abschiebung in den als zuständig erkannten Mitgliedstaat kommt nicht in Betracht, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass – erstens – das Asylverfahren und die Aufnahmebedigungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die  – zweitens – die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen […].

Die Kammer hat in ihren bisherigen Entscheidungen über Eilanträge gegen Bescheide der Antragsgegnerin, in denen eine Abschiebungsanordnung mit dem Zielstaat „Ungarn“ im Streit stand, allerdings den Standpunkt eingenommen, es lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte für systemische Mängel des ungarischen Asylsystems vor und sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. Juli 2014 […] gestützt […].

Daran kann aufgrund neuerer Entwicklungen nicht länger festgehalten werden. So wird inzwischen berichtet, die zuständigen Behörden dürften Asylanträge künftig ablehnen bzw. – nach anderer Wiedergabe – „annullieren“, wenn ein Antragsteller die zugewiesene Unterkunft länger als 48 Stunden ohne Genehmigung verlassen habe (vgl. Deutsche Welle vom 6. Juli 2015 – http://www.dw.com/de/ungarn-versch%C3%A4rft-sein-asylrecht/a-18564893 -; Online-Ausgabe der Neuen Züricher Zeitung vom 6. Juli 2015 – http://www.nzz.ch/international/ungarn-verschaerft-asylrecht-1.18575444 -; Online-Ausgabe der taz vom 6 Juli 2015 – http://www.taz.de/!5210652/ -; Online-Ausgabe des Spiegel vom 6. Juli 2015 – http://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn-verschaerft-gesetz-zur-aufnahme-von-fluechtlingen-a-1042314.html -; Online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau vom 6. Juli 2015 – http://www.fr-online.de/politik/fluechtlinge-ungarn-verschaerft-asylrecht,1472596,31137758.html).

Die der bisher vertretenen Auffassung zu Grunde gelegten Tatsachen haben sich damit in wesentlicher Hinsicht geändert. Denn ohne weitere Aufklärung kann nicht länger davon ausgegangen werden, dass dem  Antragsteller im Falle seiner Abschiebung auf der Grundlage der Dublin III-VO eine im ungarischen Asylsystem vorgesehene Rückkehr in das Asylverfahren möglich sein wird, die ihn vor einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung schützt. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass einerseits schon die tatsächlichen Grundlagen der gerichtlichen Bewertung auf Darstellungen der entsprechenden Medien beruhen, die sich durchaus unterscheiden (etwa darin, ob der Asylantrag „abgelehnt“ bzw. „annulliert“ wird). Auch steht derzeit nicht mit Sicherheit fest, was genau die Konsequenzen aus einer Ablehnung oder Annullierung des Asylantrages wären und ob sich daraus zwingend ein systemischer Mangel des ungarischen Asylverfahrens ergeben müsste. Immerhin enthalten auch andere Rechtsordnungen rechtliche Grundlagen dafür, ein Asylverfahren, welches vom jeweiligen Antragsteller nicht betrieben wird, als zurückgenommen zu behandeln […], ohne dass deshalb vom Vorliegen derartiger Schwachstellen auszugehen wäre. Es besteht dann aber die Möglichkeit der Einleitung eines Asylfolgeantragsverfahrens, in dessen Rahmen ein Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung auch dann zu gewähren ist, wenn die Zuerkennung von Asyl bzw. Flüchtlingsschutz selbst nicht mehr in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass Vergleichbares für das ungarische Asylsystem gilt, sind nicht vorhanden. Kann nach alledem ohne weitere Ermittlungsmaßnahmen nicht mehr im Anschluss an das zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. Juli 2014 unterstellt werden, dass systemische Bedenken gegen das ungarische Asylsystem dadurch ausgeräumt werden, dass trotz einer Rückführung auf der Grundlage der Dublin III-VO nach Ungarn ein voller Zugang zum dortigen Asylverfahren besteht, ist für die notwendige Aufklärung dieser Frage im Hauptsacheverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Das gebietet auch eine Bewertung der Folgen, die für den Antragsteller eintreten, wenn sein Eilantrag abgelehnt wird, sich im Hauptsacheverfahren  aber systemische Schwachstellen des ungarischen Asylverfahrens erweisen sollten. Bedeutet nämlich die in der Presse berichtete Änderung der ungarischen Gesetze, dass mit einer schon 48 Stunden nach Entfernung aus der zugewiesenen Aufnahmeeinrichtung  möglichen Ablehnung bzw. Annullierung des Asylantrages keine Rückkehr in dieses Verfahren mehr möglich ist und insbesondere auch keine Prüfung mehr stattfindet, ob – unterhalb des Flüchtlingsschutzes – Schutz gegen Gefahren für Leib und Leben zu gewähren ist, dann bestünde auf die Gefahr einer Weiterschiebung, eventuell im Wege einer Kettenabschiebung sogar in den Herkunftsstaat. Außerdem ist dann offen und wäre deshalb im Hauptsacheverfahren ebenfalls zu klären, ob einem Rückkehrer, der auf der Grundlage der Dublin III-VO nach Ungarn abgeschoben worden ist und dort nicht in das Asylverfahren zurückkehren kann, zumindest die – ihrerseits schon vielfach kritisierten – Unterbringungsmöglichkeiten  in den Aufnahmezentren zur  Verfügung stehen würden.

VG München 22. Kammer / Az.: M 22 S 15.50169 / Ungarn

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Die Aussagen und Einschätzungen in den vorliegenden Erkenntnismitteln bewertet das Gericht (vorläufig) dahin, dass nicht als hinreichend verlässlich festgestellt werden bzw. davon ausgegangen werden kann, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bzw. die Art und Weise der Verfahrensabhandlung  in Ungarn eindeutig den europarechtlichen Standards nicht (mehr) genügen würden und dadurch bedingt nach Ungarn überstellte Asylbewerber mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Behandlung zu rechnen hätten, die gegen Art. 4 EU-Grundrechtecharta verstoßen würde. Es liegen aber durchaus gewichtige Anhaltspunkte vor – insbesondere mit Blick auf die vorhandenen Kapazitätsengpässe und die Informationen zur Praxis bei der Verhängung bei Asylhaft -, die die Wertung, das ungarische Asylsystem weise solche gravierenden Mängel auf, möglicherweise im Ergebnis doch rechtfertigen könnten. Am Rande sei in diesem Zusammenhang bemerkt, dass das Gericht auch der Auffassung zuneigt, dass die ausländerfeindliche Rhetorik in Bezug auf den Umgang mit Asylbewerbern, derer sich ungarische staatliche Stellen bzw. Mitglieder der ungarischen Regierung in letzter Zeit zunehmend bedienen (vgl. dazu etwa UNHCR, Pressemitteilung vom 08.05.2015: „UNHCR calls on Hungary to protect, not persecute refugees“ und Pester Llyod vom 12.06.2015: „Flüchtlinge entfernen“) für die Beurteilung nicht von vorneherein außer Betracht bleiben kann, sondern dies im Verein mit sonstigen in diese Richtung weisenden Umständen zumindest als Indiz für eine mangelnde Bereitschaft, die relevanten Standards zuverlässig zu gewährleisten, zu werten sein könnte. Im Ergebnis ist jedenfalls davon auszugehen, dass es einer weiteren Prüfung der Problematik bedarf, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.

VG Köln 20. Kammer / Az.: 20 L 1735/15.A / Ungarn

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Ungarn war zwar nach Aktenlage für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig und hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik vom 21.05.2015 mit Schreiben vom 02.06.20185 zugestimmt und seine Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt. Es liegen aber konkrete Anhaltspunkte  dafür vor, dass die flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und die Verfahrenspraxis in Ungarn nicht an die zu fordernden und bei Einführung des § 27 a AsylVfG vorausgesetzten unions- bzw. völkerrechtlichen Standards heranreichen und systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn bestehen. Insbesondere werden Asylbewerber, gerade auch sog. Dublin-Rückkehrer, praktisch ausnahmslos inhaftiert, wobei sowohl hinsichtlich des Verfahrens der Haftanordnung als auch hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Haftanordnung Anhaltspunkte für eine grundrechtsverletzende, willkürliche und nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Inhaftierungspraxis bestehen. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen […], zu denen gerade Schutzsuchende aus Syrien wegen der dortigen dramatischen Entwicklung der Bürgerkriegssituation und der infolgedessen erlittenen traumatisierenden Erfahrungen regelmäßig gehören dürften. Unter der Berücksichtigung der vorgenannten Berichte bestehen gewichtige Zweifel an der grundlegenden Einhaltung der gemäß Art. 28 Dublin III-VO in Verbindung mit Art. 9-11 der Aufnahmerichtlinie […] einzuhaltenden Standards. Als kritisch ist auch die Frage der Behandlung der Asylanträge von sog. Dublin-Rückkehren zu bewerten. Zwar werden nach einer Änderung des ungarischen Asylgesetzes Dublin-Rückkehrern nun grundsätzlich der Zugang zum Asylverfahren und eine vollständige Prüfung der Asylgründe garantiert. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn der Asylbewerber seinen ursprünglichen stillschweigend oder schriftlich zurückgenommen hat. Dann wird nämlich der erneut zu stellende Antrag als unzulässig oder offensichtlich unbegründet angesehen und Rechtsmittel gegen eine derartige Entscheidung haben keine aufschiebende Wirkung. Daneben gibt es die Möglichkeit einer negativen Entscheidung über das Asylbegehren in absentia, gegen die in der Regel  bei Dublin-Rückkehrern wegen Fristablaufs ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist. Wenn eine derartige Entscheidung ergangen ist, muss der im Dublin-Verfahren zurückkehrende Asylbewerber im Rahmen eines Folgeverfahrens neue Fakten und Beweismittel zur Begründung seines Antrages vorlegen […]. Welche Behandlung vor diesem Hintergrund der Asylantrag des Antragstellers in Ungarn erfahren würde, ist unklar. Ungarn hat in seinem Antwortschreiben vom 02.06.2015 an das Bundesamt mitgeteilt, dass das Asylverfahren des Antragstellers wegen dessen Verschwinden dort am 14.04.2015 ohne Entscheidung beendet (ceased) wurde. Was diese Formulierung im Kontext der Bestimmungen des ungarischen Asylgesetzes konkret für den Umfang der inhaltlichen Prüfung des Asylbegehrens des Antragstellers bedeutet, ist völlig offen.

Amnesty International: Hungary – Change to Asylum Law puts tens of thousands at risk

Am 1.8.2015 ist Serbien zum „sicheren Drittstaat“ erklärt worden. Hierzu Amnesty International (30.7.2015):

Following the adoption of an Amendment to the Asylum Law by the National Assembly in June, the Hungarian government issued a decree on 21 July specifying the lists of the “safe countries of origin” and “safe third countries”. They include EU Member States, Albania, Macedonia, Montenegro, Serbia, Member States of the European Economic Area, states of the USA that have abolished the death penalty, Switzerland, Bosnia and Herzegovina, Kosovo, Canada, Australia and New Zealand. In July, the National Assembly adopted another Amendment of the Asylum Law, clarifying that the asylum applications of nationals of designated “safe countries of origin” will be decided in an expedited procedure. The applications of asylum-seekers coming through “safe third countries” will be declared inadmissible. This Amendment will enter into force on 1 August. The blanket refusal of asylum applications submitted by people who travelled through these countries can result in refoulement, the unlawful return of persons who would be at risk of serious human rights violations.

Dazu das Serbien sicherlich kein sicherer Drittstaat ist, sind bereits eine Reihe von Berichten erschienen.