Archiv der Kategorie: Familienstand

VG Ansbach 4. Kammer / Az.: AN 4 K 14.30119 / Ungarn

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Die Beklagte ist an der Überstellung der Kläger nach Ungarn gemäß der Dublin-II-VO gehindert, weil das ungarische Asylsystem nach der Überzeugung des Gerichts hier ausnahmsweise gerade für die Gruppe, der die Kläger zugehören – Familie mit Kleinkind – systemische Mängel insbesondere im Hinblick auf Inhaftierungspraxis und Haftbedingungen für Kinder aufweist.

VG Gelsenkirchen 7. Kammer / Az.: 7 a L 340/15.A / Malta

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Siehe Beschluss 13 L 2852/14.A des VG Düsseldorf vom 2.2.2015

Nach den dem Gericht vorliegenden Berichte und Erkenntnismitteln  […] gelangt das Gericht zu der Beurteilung, dass die Praxis der Republik Malta, Asylsuchende auf der Grundlage der Migrationsgesetzes Maltas („Immigration Act“)     systematisch und routinemäßig, das heißt nicht aufgrund einer Einzelfallprüfung, sondern im Regelfall und nicht nur kurzfristig, sondern für eine Dauer von bis zu 12 Monaten (bei Asylbewerbern, über deren Antrag noch nicht entschieden wurde) bzw. 18 Monaten (bei abgelehnten Asylbewerbern) zu inhaftieren, die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung i. S. d. Art. 4 GR-Charta begründen kann. Da es sich nach den vorliegenden Berichten um eine ständige Praxis des Aufnahmestaats handelt, dürfte das Aufnahmeverfahren in diesem Fall nicht nur vereinzelte, sondern systemische Schwachstellen aufweisen […]. Das Gericht verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2015 (13 L 2852/14.A), denen sich das erkennende Gericht anschließt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat insoweit ausgeführt […].

VG Augsburg 2. Kammer / Az.: Au 2 K 13.30209 / Ungarn

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Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG können aber auch dann vorliegen, wenn im Herkunftsland zwar geeignete Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die für den betreffenden Rückkehrer aber im Einzelfall aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht erreichbar sind […]. Dies ist hier der Fall. Das Gericht ist nach den vorliegenden medizinischen Feststellungen, die von der Beklagen nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden sind, davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr binnen kurzer Zeit einer erheblichen individuellen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt wäre. Das aktuelle fachärztliche Attest […] belegt, dass der Kläger an einer rezidivierenden depressiven Störung und einer sozialen Phobie leidet […]. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen wird der Kläger bei seiner Rückkehr nach Ungarn nicht in der Lage sein, eine dauerhafte und spezielle Behandlung der bei ihm diagnostizierten Krankheiten zu erreichen.

VG München 24. Kammer / Az.: M 24 K 15.50072 /Ungarn

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Zwar hat gerade für Ungarn die Große Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) beriets in einem Zeitpunkt nach dem Inkrafttreten der ungarischen Asylrechtsänderungen zum 1. Juli 2013 systemische Mängel verneint (EuGH (Große Kammer) U.v. 10.12.2013 – C-394/12 – Rn. 60 und 61, NVwZ 2014, 208). Allerdings sind zwischenzeitlich neue Erkenntnismittel verfasst und veröffentlicht worden, die dem EuGH bei seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2013 noch nicht bekannt sein konnten, weil sie damals noch nicht existierten.

Im Folgenden greift der Gerichtsbescheid die Argumentation der 23. Kammer des VG Berlin (15.1.2015) auf, d. h. es wird zwar kein Verstoß gegen Art. 4 GRCh erkannt, allerdings von einem Verstoß gegen Art.  6  GRCh ausgegangen und auf Art. 51 Abs. 1 GRCh verwiesen.

Amnesty International: Automatic migrant detention breach of Malta’s human rights obligations

The automatic detention of undocumented migrants for up to 18 months and of asylum seekers for up to 12 months is “in breach of Malta’s international human rights obligations”, human rights experts have warned. In its annual ‘State of the World’s Human Rights’ report, human rights organisation Amnesty International said that Malta’s search and rescue operations at sea, limited at disembarking refugees and migrants in its territory, is too “restrictive”.

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VG Düsseldorf 13. Kammer / Az.: 13 L 2852/14.A / Malta

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Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), enthält für die Inhaftierung von Asylbewerbern Mindeststandards. Haft darf danach nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, bei Fluchtgefahr im Falle notwendiger Beweissicherung, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht
und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Artikel 8 Absatz 1 und 3 AufnahmeRL). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Artikel 8 Absatz 3 bestehen, angeordnet werden (Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 AufnahmeRL). Die Haftanordnung ist zu begründen (Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Artikel 9 Absatz 6 AufnahmeRL). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Artikel 9 Absatz 5 AufnahmeRL). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Artikel 10 Absatz 1 AufnahmeRL). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Artikel 11 AufnahmeRL). Gemessen hieran liegen nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln erhebliche Anhaltpunkte dafür vor, dass jedenfalls die Haftpraxis Maltas Asylbewerbern gegenüber nicht im Einklang mit internationalem und europäischem Recht steht […].

Zu der Inhaftierungspraxis Maltas lassen sich derzeit folgende – vorläufige – Feststellungen treffen: Ausweislich verschiedener dem Gericht vorliegender Auskünfte werden in Malta Flüchtlinge, die in aller Regel ohne die erforderlichen Papiere irregulär und damit illegal einreisen, systematisch und routinemäßig inhaftiert […]. Die Praxis routinemäßiger Inhaftierung treffe (zunächst) auch die Gruppe von Schutzsuchenden mit besonderem Bedürfnissen („Verletzliche“) wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien mit (minderjährigen) Kindern, Menschen mit Behinderungen etc., so lange, bis das Verfahren zur Anerkennung ihrer Verletzlichkeit abgeschlossen sei, was je nach Erkennbarkeit dieses Umstandes kürzer oder länger dauern könne. Dabei würden diejenigen Betroffenen, deren besonderer Status nicht ohne Weiteres erkennbar sei, wie unter Umständen psychisch Kranke oder ältere Minderjährige zunächst zusammen mit Flüchtlingen ohne besondere Bedürfnisse untergebracht. Das Migrationsgesetz enthalte keine Bestimmung zur maximalen Haftdauer. Sei über einen Asylantrag innerhalb eines Jahres noch nicht entschieden, erfolge die  Freilassung des Antragstellers aufgrund einer Verwaltungsbestimmung, die dem Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt nach zwölf Monaten zuerkenne. Abschiebehaft sei ebenfalls auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften auf maximal 18 Monate begrenzt […].

Zudem deuten die dem Gericht vorliegenden Auskünfte darauf hin, dass die bestehenden gesetzlichen und administrativen Regelungen keine effektiven und zügig durchgeführten Verfahren zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit und Angemessenheit der Inhaftierung bieten […].

Zu der speziellen – und vorliegend allein maßgeblichen – Situation von Dublin-Rückkehreren liegen dem Gericht lediglich folgende vorläufige Erkenntnisse vor: Verlasse ein Asylsuchender Malta ohne eine entsprechende Genehmigung, gebe es Schwierigkeiten nach der Rücküberstellung Zugang zum Asylverfahren zu erhalten. Denn der in Malta gestellte Asylantrag gelte infolge der Ausreise als stillschweigend zurückgenommen. Zwar bestehe für Dublin-Rückkehrer die Möglichkeit, die Wiedereröffnung ihres Verfahrens zu beantragen (Folgeantrag). Während der – zum Teil mehrere Monate dauernden – Überprüfung des Folgeantrags durch die zuständige Flüchtlingskommission könnten die Antragsteller indes in ihren Heimatstaat abgeschoben werden. Hinzukomme, dass Asylbewerber, die auf irreguläre Weise Malta verlassen, Gefahr liefen, auf der Grundlage des Zuwanderungsgesetzes verhaftet und vor dem Strafgericht angeklagt zu werden. Während der Dauer des
Strafverfahrens blieben die Asylbewerber in der Justizvollzugsanstalt inhaftiert […].

Jedenfalls bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Ankunft in Malta grundsätzlich einem hohen Risiko längerfristiger Inhaftierung ohne hinreichende Rechtschutzmöglichkeiten und der Gefahr entgegen des Refoulement-Verbots in ihr Herkunftsland, ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag, abgeschoben zu werden, ausgesetzt sind. Vorbehaltlich der Bestätigung und Konkretisierung dieser Erkenntnisse im Hauptsacheverfahren ist daher jedenfalls im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass eine solche Behandlung von Asylbewerbern, mit der sie der Willkür der zuständigen Behörden ausgesetzt werden und letztlich zum reinen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt werden, die für eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-Gr-Charta erforderliche Schwere aufweisen dürfte, sodass es jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht mehr darauf ankommt, ob auch die konkreten Haftbedingungen selbst inhaftierten Asylbewerbern weiteren Leiden und
Härten unterwerfen, die das mit einer Haft unvermeidbare Maß übersteigen.