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Bundesverwaltungsgericht Schweiz / D-7853/2015 / Ungarn

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Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Urteil D-7853/2015 1 vom 31. Mai 2017 mit Beschwerden gegen Nichteintretensverfügungen befasst, die eine Überstellung nach Ungarn beinhalten. Angesichts der bedeutenden Änderungen sowohl der rechtlichen als auch der tatsächlichen Umstände, die seit Sommer 2015 in Ungarn eingetreten sind, kommt das Gericht zum Schluss, dass die Beschwerden gutzuheissen und die Verfahren zur Ergänzung der Instruktion und zum Neuentscheid an das Staatssekretariat für Migration zurückzuweisen sind.

Ungarn war 2015 und anfangs 2016 mit einem bedeutenden Strom von Migranten konfrontiert und hat nach und nach Massnahmen getroffen, um die Zahl der Asylsuchenden auf seinem Staatsgebiet zu reduzieren. Die Errichtung eines Stacheldrahtzaunes an der ungarischen Grenze, die Schaffung von Unterkunftszentren in Transitzonen, der Einsatz der Armee zur Überwachung der Grenzen und die ab Juni 2015 durchgeführten Gesetzesänderungen haben den Zugang zum Asylverfahren zunehmend erschwert und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende verschlechtert.

Weiter erschwert wurden der Zugang zum Asylverfahren und die Aufnahme der Asylsuchenden in Ungarn insbesondere durch den ungarischen Rechtsakt T/13976 über „die Änderung mehrerer Gesetze zur Verschärfung des Asylverfahrens in der Überwachungszone der ungarischen Grenze“, der am 28. März 2017 rückwirkend in Kraft getreten ist. Gemäss diesen neuen Bestimmungen sollen Asylsuchende insbesondere entweder in geschlossenen Zentren in den Transitzonen der serbisch-ungarischen Grenze untergebracht oder in sogenannte „Prätransit“-Zonen in Serbien abgeschoben werden. Für Asylsuchende, die in Anwendung der Dublin-III-Verordnung nach Ungarn überstellt werden, ist nach wie vor völlig ungewiss, welches Regime gemäss dem erwähnten ungarischen Rechtsakt auf sie anwendbar sein wird.

Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten, die diese neue Gesetzesänderung hinsichtlich des Verfahrenszugangs und der Aufnahmebedingungen mit sich gebracht hat, ist es dem Bundesverwaltungsgericht im derzeitigen Stand der Sache nicht möglich, die Fragen im Zusammenhang mit dem Vorliegen systemischer Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung und der tatsächlichen Gefahren („real risk“), denen Asylsuchende bei einer Überstellung nach Ungarn ausgesetzt sein können, abschliessend zu beurteilen. Folglich hebt es die angefochtene Verfügung auf und weist die Sache zu neuem Entscheid an das Staatssekretariat für Migration zurück. Es obliegt der erstinstanzlichen Behörde, alle Tatsachenelemente zusammenzutragen, die zur Beurteilung der wesentlichen Fragen erforderlich sind und es ist nicht die Aufgabe der Beschwerdeinstanz, komplexe ergänzende Abklärungen vorzunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht würde sonst mit einem Sachentscheid seine Zuständigkeit überschreiten und die betroffene Partei um den gesetzlich vorgesehenen Instanzenzug bringen.

Das Urteil ist endgültig und kann nicht beim Bundesgericht angefochten werden.

VG MÜNCHEN / AZ.: M 24 S 17.33578 / UNGARN

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3.2.2. Allerdings geht das Gericht – anders als der sgB – davon aus, dass einer Abschiebung nach Ungarn derzeit die nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegenstehen würden.

3.2.2.1. Ein solches nationales Abschiebungsverbot ergibt sich schon daraus, dass der ASt. (nicht anders als seine Familie) bei einer Rückkehr nach Ungarn obdachlos und ohne medizinische Versorgung wäre, dergestalt dass seine Verelendung zu befürchten stünde. Der Einzelrichter schließt sich insoweit folgenden Ausführungen im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 15. November 2016 an (OVG Lüneburg, U. v. 15.11.2016 – 8 LB 92/15 infAuslR 2017, 81 juris Rn. 62):

62 Durch mehrere Gesetzesänderungen zum 1. April 2016 und 1. Juni 2016 besteht selbst für Flüchtlinge, die in Ungarn einen Schutzstatus erhalten, die Gefahr der abschließenden Verelendung und Obdachlosigkeit (vgl. BM-PA 2016, S. 23M Hungarian Helsinki Committee, Hungary: Recent legal amendments further destroy access to protection, April – June 2016; UNHCR 2016/I, S. 7; vgl. zur bereits bevor bestehenden defizitären Situation: UNHCR, Stellungnahme an das VG Freiburg vom 30.9.2014, S. 6). So sind die zeitlich begrenzte finanzielle Unterstützung anerkannter Flüchtlinge im Rahmen von sog. „Integrationsverträgen“ ebenso wie das frei zur Verfügung stehende monatliche Taschengeld für Asylbewerber in Höhe von 24 EURO sowie die finanzielle Bildungsunterstützung  für minderjährige Flüchtlinge ersatzlos gestrichen worden. Der zulässige Verbleib von Flüchtlingen in offenen Asyleinrichtungen nach ihrer Anerkennung wurde von 60 auf 30 Tage und der Zugang zu einer Basisgesundheitsversorgung von einem Jahr auf sechs Monate reduziert. (…)

3.2.2.2. Für das Bestehen eines nationalen Abschiebungsverbots, das – wie gezeigt – schon wegen der im Falle einer Rückführung nach Ungarn drohenden Obdachlosigkeit und Verelendung – anzunehmen ist, spricht im Fall des ASt. auch die im vorläufigen Arztbrief des Klinikums Penzberg vom 28. Februar 2014 (BI 55-57 d.A.) nach einem Suizidversuch diagnostizierte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sowie die Psychiatrisch Psychotherapeutischen Attest vom 13. März 2014 beschriebene psychische Situation des ASt. Der Einzelrichter schließt sich insoweit folgenden Ausführungen aus dem Urteil des VG München vom 17. Februar 2017 an (VG München, U.v. 17.2.2017 – M 17 K 16.34416 – juris Rn. 22-24):

22 a) Zwar genießen Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge und unter subsidiärem Schutz Stehende in Ungarn grundsätzlich freie Gesundheitsführsorge, Rehabilitation, psychische Behandlung und Psychotherapie und zwar im gleichen Maße wie ungarische Staatsangehörige, soweit der Bedarf von einem Mediziner festgestellt wird. In den offenen und geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen wird die ärztliche Grundversorgung durch Ärzte und Medikamente sichergestellt. In schwerwiegenden Fällen, in denen die Behandlung vor Ort nicht ausreichend ist, kann die Zuweisung in die Allgemein- oder Spezialeinrichtungen des ungarischen Gesundheitssystems durch den behandelnden Arzt erfolgen, wenn er dies aus medizinischen Gründen für notwendig erachtet. Die Kosten der Behandlung tragen in diesen Fällen der ungarische Staat bzw. seine Gesundheitseinrichtungen. In einigen Aufnahmeeinrichtungen wird zudem psychologische Betreuung durch Spezialisten und Psychologen der Cordelia Stiftung gewährt […].

23 b) Das Gericht ist aber davon überzeugt, dass es den Klägern in ihrer besonderen Situation faktisch nicht gelingen wird, in Ungarn Arbeit, Wohnraum und/oder medizinische Behandlung erhalten. Die Kläger, die mittellos sind, haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar geschildert, dass sie in Ungarn keinerlei staatliche Unterstützung erhalten haben und ihnen niemand Wohnraum zur Verfügung stellen bzw. Arbeit geben wollte. Bestätigt wird diese Schilderung durch den Umstand, dass Ungarn durch Gesetzesänderungen vom 1. April 2016 und 1. Juni 2016 sämtliche Unterstützungsleistungen für anerkannte Asylbewerber, Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte eingestellt hat […]. Laut Helsinki Komitee […] drohen diesen damit Obdachlosigkeit und Verelendung. Die Mieten in Ungarn seien für den genannten Personenkreis zu hoch und Vermieter überließen ihren Wohnraum lieber an Ungarn. Entsprechendes gelte für Arbeitgeber, zumal die ungarische Sprache insoweit ein großes Hindernis für eine Anstellung sei […].

24 Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Kläger Arbeit und eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt finden können, zumal sie in Ungarn über keine finanzielle Unterstützung durch Angehörige oder Freunde verfügen […]. Den Klägern zu 1. und 2. und ihren drei kleinen Kindern (2 1/2, 5 und 6 Jahre alt) ist es nicht zumutbar, auf der Straße zu leben. Zudem ist der Erhalt einer Gesundheitskarte in Ungarn von einer Adresskarte abhängig, die in der Praxis, insbesondere bei Betroffenen ohne festen Wohnsitz, mit vielen, allenfalls erschwert überwindbaren Hürden verbunden ist […]. Nach den vorliegenden Attesten wird sich aber der psychische und physische Gesundheitszustand der Klägerin zu 2. ohne die erforderliche Behandlung alsbald signifikant verschlechtern und es drohen schwerwiegende Erkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt und irreversible Schäden am Herz-Kreislaufsystem. Damit ist aber eine erhebliche und konkrete Gefahr im Sinne der o.g. Rechtsprechung und damit ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG zu bejahen.

3.3. Vor diesem Hintergrund ist die a.W. hinsichtlich der Abschiebungsandrohung des sgB schon wegen des nationalen Verbots einer Abschiebung nach Ungarn im Hinblick auf § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m § 35 AsylG i.V.m § 60 Abs. 5, 7 AufebthG anzuordnen.

OVG Berlin-Brandenburg / Az.: 3 S 102.106 / Ungarn

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Der Senat hat mit Beschluss vom heutigen Tag in dem Verfahren – OVG 3 N 136.16 – die Berufung zugelassen, weil die Rechtssache nach den Darlegungen des Klägers grundsätzliche Bedeutung hat […]. Denn sie wirft danach die – vom Verwaltungsgericht verneinte – klärungsbedürftige Tatsachenfrage auf, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen, die im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), beachtlich sind.

VG Würzburg / Az.: W 2 17.50159 / Ungarn

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Mit Beschluss vom 23. Februar 2017 (W 2 S 16.50198) lehnte das Gericht den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. Dezember 2016 ab. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 26- März 2017, bei Gericht eingegangen am selben Tag, begehren die Antragsteller die Abänderung des Beschlusses vom 23. Februar 2017.

Zur Begründung wurde auf das Vorliegen neuer Erkenntnismittel – den mit Datum vom 7. Februar 2017 veröffentlichen neuen aida-Bericht zu Ungarn sowie das Information update des Hungarian Helsinki Comittee vom 15. Februar 2017 – verwiesen sowie die vom ungarischen Parlament am 7. März 2017 beschlossene drastische Verschärfung der Asylgesetzgebung, wonach Flüchtlinge Asyl nur noch in sog. Transitzonen beantragen könnten, die sie für die Dauer des Verfahrens nicht verlassen dürften, sowie auf die Berufungszulassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 25. Januar 2017 im Verfahren 13a ZB 16.50076 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn […].

Gemäß 5 80 Abs. 7 VwGO kann das Gericht der Hauptsache jederzeit, d.h. ohne Bindung an Fristen, von Amts wegen oder – wie hier – auf Antrag eines Beteiligten einen Beschluss über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände ändern oder aufheben.

Eine Veränderung der Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 VwGO ergibt sich hier aus den vom ungarischen Parlament am 7. März 2017 beschlossenen und am 28. März 2017 in Kraft getretenen Verschärfungen der Asylregelungen, wonach Asylsuchende – auch unbegleitete Minderjährige ab 14 Jahren – während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens ausnahmslos in Transitzonen inhaftiert werden sollen. Seitens des Menschenrechtskommissars des Europarates und zahlreicher Menschenrechts-Nichtregierungsorganisationen wurden die Neuregelungen scharf kritisiert. Der UNHCR, dessen Stellungnahmen im Asylverfahren anerkanntermaßen besonderes Gewicht zukommt, zeigte sich in seiner Stellungnahme vom 7. März 2017 „zutiefst besorgt“ über die geplante Internierung von Schutzsuchenden. Mit Eilanordnung vom 27. März 2017 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zudem die Verlegung von acht unbegleiteten Minderjährigen und einer schwangeren Asylbewerberin in Transitzonen gestoppt.

Nach alledem bedarf es näherer Prüfung im Hauptsacheverfahren, ob die neuen gesetzlichen Regelungen im ungarischen Asylrecht europäischem und sonstigem internationalen Recht genügen und ob sie geeignet sind, systemische Mängel des ungarischen Asylsystems zu begründen.

Darüber hinaus hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Januar 2017 im Verfahren 13a ZB 16.50076 die Berufung zur Klärung der Frage zugelassen, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen, die im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juli 2013 beachtlich sind.

EGMR / Az.: 47287/15 / Ungarn

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49. The Government were of the view that since the applicants had been free to leave the territory of the transit zone in the direction of Serbia, they in fact had not been deprived of their personal liberty. Article 5 of the Convention was therefore inapplicable.

52. It must be determined in the first place whether the placing of the applicants in the transit zone constituted a deprivation of liberty within the meaning of Article 5 of the Convention. The Court has already found that holding aliens in an international zone involves a restriction upon liberty which is not in every respect comparable to that obtained in detention centres. However, such confinement is acceptable only if it is accompanied by safeguards for the persons concerned and is not prolonged excessively. Otherwise, a mere restriction on liberty is turned into a deprivation of liberty (see Amuur v. France, 25 June 1996, § 43, Reports of Judgments and
Decisions 1996-III, and Riad and Idiab v. Belgium, nos. 29787/03 and 29810/03, § 68, 24 January 2008).

68. The motives underlying the applicants’ detention may well be those referred to by the Government in the context of Article 5 § 1 (f) of the Convention, that is to counter abuses of the asylum procedure. However, for the Court the fact remains that the applicants were deprived of their liberty without any formal decision of the authorities and solely by virtue of an elastically interpreted general provision of the law – a procedure which in the Court’s view falls short of the requirements enounced in the Court’s case-law. The conditions of Article 31/A of the Asylum Act were not met and no formal decision was taken; furthermore no special grounds for detention in the transit zone were provided for in Article 71/A. In this connection the Court would reiterate that it has considered the absence of any grounds given by the judicial authorities in their decisions authorising detention for a prolonged period of time, as in the present case to be incompatible with the principle of the protection from arbitrariness enshrined in Article 5 § 1 (see Stašaitis v. Lithuania, no. 47679/99, § 67, 21 March 2002; Nakhmanovich v. Russia, no. 55669/00, § 70, 2 March 2006; Belevitskiy v. Russia, no. 72967/01, § 91, 1 March 2007, and
Mooren v. Germany [GC], no 11364/03, § 79, 9 July 2009).

69. It follows that the applicants’ detention cannot be considered “lawful” for the purposes of Article 5 § 1 of the Convention. Consequently, there has been a violation of that provision.

75. The Court observes that the applicants’ detention consisted in a de facto measure, not supported by any decision specifically addressing the issue of deprivation of liberty (see paragraph 67 above). Moreover, the proceedings suggested by the Government concerned the applicants’ asylum applications rather than the question of personal liberty. In these circumstances, it is quite inconceivable how the applicants could have pursued any judicial review of their committal to, and detention in, the transit zone – which itself had not been ordered in any formal proceedings or taken the shape of a decision.

76. The Court therefore must conclude that the applicants did not have at their disposal any “proceedings by which the lawfulness of [their] detention [could have been] decided speedily by a court”.

77. It follows that there has been a violation of Article 5 § 4 of the Convention.

89. In view of the satisfactory material conditions and the relatively short time involved, the Court concludes that the treatment complained of did not reach the minimum level of severity necessary to constitute inhuman treatment within the meaning of Article 3 of the Convention.

90. Having regard to the foregoing considerations, it finds that there has been no violation of Article 3 of the Convention.

100. The Court further observes that the Government have not indicated any remedies by which the applicants could have complained about the conditions in which they were held in the transit zone.

101. It follows that there has been a violation of Article 13 taken together with Article 3 of the Convention.

118. The Court observes that the applicants were removed from Hungary on the strength of the Government Decree listing Serbia as a safe third country and establishing a presumption in this respect. The individualised assessment of their situation with regard to any risk they ran if returned to Serbia took place in these legal circumstances. Indeed, it involved a reversal of the burden of proof to the applicants’ detriment including the burden to prove the real risk of inhuman and degrading treatment in a chain-refoulement situation to Serbia and then the former Yugoslav Republic of Macedonia, eventually driving them to Greece. However, it is incumbent on the domestic authorities to carry out an assessment of that risk of their own motion when information about such a risk is ascertainable from a wide number of sources. Not only that the Hungarian authorities did not perform this assessment in the determination of the individual risks but they refused even to consider the merits of the information provided by the counsel, limiting their argument to the position of the Government Decree 191/2015.

125. Having regard to the above considerations, the Court finds that the applicants did not have the benefit of effective guarantees which would have protected them from exposure to a real risk of being subjected to inhuman or degrading treatment in breach of Article 3 of the Convention. There has accordingly been a violation of that provision in this regard.

VG München / Az.: M 17 K 16.34416 / Ungarn

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2. Demnach kann im vorliegenden Fall von einem zielstaatsbezogenen Abschiebehindernis ausgegangen werden.

2.1. Die Klägerseite hat psychotherapeutische Stellungnahmen […] vorgelegt, wonach bei der Klägerin zu 2. eine mittelgradige depressive Episode und posttraummatische Belastungsstörung diagnostiziert wurden. Sie habe massive Kopfschmerzen, hohen Blutdruck, Angstzustände, innere Unruhe, Schlafstörungen und Albträume und sei nicht reisefähig. Es sei davon auszugehen, dass sie in Ungarn keine Psychotherapie in ihrer Muttersprache erhalten werde und eine rein medikamentöse Behandlung werde nicht ausreichen. Muttersprache sei jedoch unverzichtbare Voraussetzung für die Durchführung einer Psychotherapie und eine Unterbrechung der Behandlung werde eine signifikante Verschlechterung ihres psychischen und physischen Zustands zur Folge haben. Eine Selbstgefährdung mit suizidaler Absicht sei nicht auszuschließen. Zudem wurde ein Attest […] übermittelt, wonach bei der Klägerin zu 2. eine posttraumatische Belastungsreaktion und ein schwer einstellbarer arterieller Hypertonus vorlägen. Sie leide sehr unter der drohenden Abschiebung, was sich u.a. in einer Verschlechterung ihrer Psyche und in hyperintensiven Blutdruckkrisen wiederspiegle. Eine Unterbrechung der psychiatrischen Begleitung könne zu einer Major Depression führen, die Klägerin wäre eventuell nicht mehr in der Lage, ihre Kinder zu versorgen. Ohne Einnahme der Blutdruckmedikamente könne dies zu Blutdruckkrisen führen, die zu Schlaganfällen, Herzinfarkten und irreversiblen Langzeitschäden im Herz-Kreislaufsystem führen könnten.

2.2. Es ist davon auszugehen, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Ungarn obdachlos wären und die Klägerin zu 2. in absehbarer Zeit weder psychiatrische noch die erforderliche internistische Behandlung erhalten würde.

a) Zwar genießen Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge und unter subsidiärem Schutz Stehende in Ungarn grundsätzlich freie Gesundheitsführsorge, Rehabilitation, psychische Behandlung und Psychotherapie und zwar im gleichen Maße wie ungarische Staatsangehörige, soweit der Bedarf von einem Mediziner festgestellt wird. In den offenen und geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen wird die ärztliche Grundversorgung durch Ärzte und Medikamente sichergestellt. In schwerwiegenden Fällen, in denen die Behandlung vor Ort nicht ausreichend ist, kann die Zuweisung in die Allgemein- oder Spezialeinrichtungen des ungarischen Gesundheitssystems durch den behandelnden Arzt erfolgen, wenn er dies aus medizinischen Gründen für notwendig erachtet. Die Kosten der Behandlung tragen in diesen Fällen der ungarische Staat bzw. seine Gesundheitseinrichtungen. In einigen Aufnahmeeinrichtungen wird zudem psychologische Betreuung durch Spezialisten und Psychologen der Cordelia Stiftung gewährt […].

b) Das Gericht ist aber davon überzeugt, dass es den Klägern in ihrer besonderen Situation faktisch nicht gelingen wird, in Ungarn Arbeit, Wohnraum und/oder medizinische Behandlung erhalten. Die Kläger, die mittellos sind, haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar geschildert, dass sie in Ungarn keinerlei staatliche Unterstützung erhalten haben und ihnen niemand Wohnraum zur Verfügung stellen bzw. Arbeit geben wollte. Bestätigt wird diese Schilderung durch den Umstand, dass Ungarn durch Gesetzesänderungen vom 1. April 2016 und 1. Juni 2016 sämtliche Unterstützungsleistungen für anerkannte Asylbewerber, Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte eingestellt hat […]. Laut Helsinki Komitee […] drohen diesen damit Obdachlosigkeit und Verelendung. Die Mieten in Ungarn seien für den genannten Personenkreis zu hoch und Vermieter überließen ihren Wohnraum lieber an Ungarn. Entsprechendes gelte für Arbeitgeber, zumal die ungarische Sprache insoweit ein großes Hindernis für eine Anstellung sei […]. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Kläger Arbeit und eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt finden können, zumal sie in Ungarn über keine finanzielle Unterstützung durch Angehörige oder Freunde verfügen […]. Den Klägern zu 1. und 2. und ihren drei kleinen Kindern (2 1/2, 5 und 6 Jahre alt) ist es nicht zumutbar, auf der Straße zu leben. Zudem ist der Erhalt einer Gesundheitskarte in Ungarn von einer Adresskarte abhängig, die in der Praxis, insbesondere bei Betroffenen ohne festen Wohnsitz, mit vielen, allenfalls erschwert überwindbaren Hürden verbunden ist […]. Nach den vorliegenden Attesten wird sich aber der psychische und physische Gesundheitszustand der Klägerin zu 2. ohne die erforderliche Behandlung alsbald signifikant verschlechtern und es drohen schwerwiegende Erkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt und irreversible Schäden am Herz-Kreislaufsystem. Damit ist aber eine erhebliche und konkrete Gefahr im Sinne der o.g. Rechtsprechung und damit ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG zu bejahen.

Nach alledem war der Klage daher hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG stattzugeben (Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids). Dementsprechend waren auch die Abschiebungsanordnung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben (Nrn. 5 und 6 des Bescheids).

VG Hannover / AZ.: 7B 387 / 17 / Bulgarien

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 […] Darüber hinaus hat der Einzelrichter der 6. Kammer des VG Hannover mit Urteil vom 11.11.2016 – 6 A 6144/15 – (Entscheidungsabdruck S. 4ff.) aktuell ausgeführt:[

„Nach Auffassung des Gerichts gibt es im Sinne von Art 3 Abs. 2 Dublin-III-VO wesentliche Gründe für die Annahme systemischer Schwachstellen hinsichtlich der Asylverfahren und der Aufnahmebedingungen für Antragssteller in Bulgarien, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.

Eine systematisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta liegt vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit eine reale, nämlich nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedsstaat, in den er überstellt werden soll, entweder schon der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris). Sind in diesem Zusammenhang bestimmte Anforderungen in EU-Richtlinien festgelegt worden, kann sich (konkretisierend) auch daraus der im Sinne der angesprochenen Artikel für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltende Maßsstab ergeben, soweit es sich dabei erkennbar um Mindestanforderungen handelt. Hieran muss sich dann nicht nur der Inhalt nationaler Rechtsvorschriften, sondern auch und gerade die praktische Umsetzung messen lassen (vgl. OVG NRW, a.a.O.).

Hinzukommen muss immer, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte Schwachstellen festgestellt werden können, wenn sich diese nicht auf den Antragssteller auswirken können (VGH Mannheim, Urteil vom 1. April 2015 – A 11 S 106/15 -, juris).

Nach diesem Maßsstab ist gegenwärtig aufgrund der dem Gericht zugrunde liegenden Erkenntnismittel von systemischen Mängeln im Asylsystem Bulgarien auszugehen. Denn die Kamer geht davon aus, dass in Bulgarien derzeit die reale Gefahr besteht, dass der Kläger in seinem subjektiven Recht auf Sachprüfung seines Asylantrags nach Art. 18 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO verletzt wird und dadurch die Geltendmachung seines Asylrechts vereitelt wird. […]

VG Magdeburg / Az.: 5 B 591/16 MD / Ungarn

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Nachdem die Kammer noch mit Urteil vom 03.09.2015 (Az. 5 A2 107 90/15 MD) davon ausgegangen ist, dass in Ungarn systemische Mängel im Asylverfahren nicht bestehen, so kann nunmehr aufgrund neuerer Erkenntnismittel sowie obergerichtlicher Rechtsprechung diese Annahme nicht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung getroffen werden. Es sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass in Ungarn möglicherweise mit systemischen Mängeln des Asylverfahrens zu rechnen ist und ein Asylbewerber Gefahr läuft, mindestens einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. So hat er Verwaltungsgerichtshof Baden-Württenberg in seinem Urteil vom 13.10.2016 (Az. A 11 S 1596/16, zitiert nach juris) dazu ausgeführt:

„Auch zum heutigen Zeitpunkt ist nach wie vor von einer hohen Inhaftierungsquote auszugehen. Amnesty international teilt unter Berufung auf das Hungary Helsinki Commitee mit, dass zum 01.08.2016 noch etwa 1200 registrierte Flüchtlinge in Ungarn geblieben seien, von denen etwa 700 inhaftiert gewesen seien […].

Diese Quoten begründen nach Überzeugung des Senats in Anbetracht der erheblichen und einschneidenden Folgen einer Inhaftierung für die Betroffenen die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“. Ausgehend von diesen Zahlen muss der Kläger dann, wenn er nach Ungarn zurückkehren würde, um dort ein (weiteres) Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes durchzuführen, als alleinstehender Mann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen in Haft zu kommen. Das nach den verwerteten Erkenntnismitteln hoch defizitäre Haftanordnungs- bzw. Haftprüfungsverfahren, das die Betroffenen einer willkürlichen Behandlung aussetzt, und in dem sie in der Regel nicht einmal im Ansatz in ihrer Subjektqualität wahrgenommen werden, verstößt nicht nur gegen die menschenrechtlichen Garantien der Art. 5 und Art. 13 EMRK (vgl. zu dem Aspekt der mangelnden Eröffnung der maßgeblichen Gründe einer Inhaftierung und einer hieraus folgenden Verletzung von Art. 3 EMRK EGMR, Urteil vom 01.09.2015 – Nr. 16483/12, Khlaifia u.a./Italien -, juris; vom. 05.07.2016 – Nr. 9912/15), sondern auch – jedenfalls in Zusammenschau mit den konkreten Haftbedingungen bei desolater Unterbringungssituation und den Handlungsweisen des Personals mit systematischer Schlechtbehandlung – gegen Art. 3 EMRK und damit gegen Art. 4 GRCh. Es ist nach alledem davon auszugehen, dass angesichts der schweren Mängel des Haftanordnungsverfahrens der Kläger keine effektive und faire Chance haben wird, seine Belange in das Verfahren einzubringen und damit gehört zu werden, weshalb es dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, in Ungarn ein (weiteres) Verfahren auf internationalen Schutz durchzuführen, mit der Folge, dass mit der Asylantragstellung im Bundesgebiet die Zuständigkeit der Bundesrepublik begründet wurde.

[…]

2. Die dargestellte Problematik hat jedoch auch weitergehende Folgen und berührt- ungeachtet der Aufürhungen unter I – die Rechtmäßigkeit der Ziffer 1, in der der Asylantrag als unzulässig abgelehnt worden war.

[…]

Zu demselben Ergebnis gelangt auch das OVG Lüneburg in seiner Entscheidung vom 15.11.2016 (Az. LB 92/15, zitiert nach juris) und bejaht ebenfalls das Vorliegen systemischer Mängel in Ungarn hinsichtlich der dortigen Inhaftierungspraxis von Dublin-Rückkehrern, einer Abschiebung nach Serbien ohne inhaltliche Prüfung der Asylanträge von Dublin-Rückkehrern sowie der nicht bestehenden realistischen Möglichkeit von Überstellungen nach Ungarn innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung.

 

OVG Niedersachsen / Az.: 8 LB 92 15 / 12 A 1152/14 / Ungarn

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Jedoch ist die Zuständigkeit Ungarns wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens sowie der dortigen Aufnahmebedingungen ausgeschlossen […].

Nach diesen Maßstäben bestehen in Ungarn aktuell grundlegende Defizite sowohl hinsichtlich des Zugangs zum Asylverfahren als auch in Bezug auf dessen Ausgestaltung sowie in Hinblick auf die Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens, die in ihrer Gesamtheit betrachtet, zur Überzeugung des Senats die Annahme rechtfertigen, dass dem Kläger bei einer Überstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK droht […].

Bei einer Rücküberstellung nach Ungarn droht dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Inhaftierung ohne individualisierte Prüfung von Haftgründen […]. Die Entscheidung, ob ein Asylbewerber in Asylhaft genommen oder einer offenen Aufnahmeeinrichtung zugewiesen wird, wird nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln regelmäßig ohne nachvollziehbare Gründe, mithin willkürlich, vorgenommen […]. Behördliche und gerichtliche Haftanordnungen und -prüfungen erfolgen im Regelfall
schematisch ohne Prüfung des Einzelfalls und ohne Abwägung milderer Mittel.

Die Haftbedingungen in den ungarischen Asylhaftanstalten lassen nach der bestehenden Auskunftslage ebenfalls zum Teil erhebliche Mängel erkennen […]. Die ausgelasteten, allerdings nicht (mehr) überfüllten Asylhaftanstalten […] weisen den Erkenntnismitteln zufolge zahlreiche Missstände auf. Inhaftierte Asylbewerber werden wie Strafgefangene behandelt, indem sie zu gerichtlichen Anhörungen oder anderen Terminen außerhalb der Haftanstalt mit Handschellen
und angeleint gebracht werden […]. Hygienische Mindeststandards (Duschen, Toiletten) werden teilweise nicht eingehalten und Häftlinge beklagen sich über einen zu geringen Nährwert der Mahlzeiten und den daraus resultierenden Gewichtsverlust […]. Zudem wird auch über Beschimpfungen, Schikanierungen und Gewaltanwendungen seitens des Wachpersonals […]. Im Herbst 2015 stellte die Nichtregierungsorganisation „Human Rights Watch“ bei einem Besuch von fünf Haftanstalten fest, dass dort Schwangere, begleitete und unbegleitete Kinder sowie Menschen mit Behinderungen für lange Zeit festgehalten wurden, wobei Frauen und Familien mit kleinen Kindern die Einrichtungen teilweise mit alleinstehenden Männern
teilen mussten. In der Haftanstalt „Nyirbator“ wurde die Organisation darauf aufmerksam, dass die dort inhaftierten Asylbewerber Hautausschlag und Stiche von Bettwanzen aufwiesen und bei Temperaturen von um die 5° C mit unzureichender Kleidung ausgestattet waren […]. Eine grundlegende medizinische Versorgung wird in den Asylhaftanstalten zwar angeboten […], jedoch wird nach den zur Verfügung stehenden Berichten mit den
unterschiedlichen gesundheitlichen Problemen nicht in einer auf den Einzelfall abstellenden Weise umgegangen. So werden immer wieder die gleichen Tabletten für unterschiedliche Krankheiten verabreicht […]. Zudem bestehen eine adäquate Behandlung regelmäßig erschwerende Kommunikationsprobleme auf Grund fehlender Dolmetscher […]. So berichtet die Nichtregierungsorganisation „Cordelia Foundation“ über einen im Rahmen eines Besuchs in einer Haftanstalt wahrgenommenen Fall, in dem einem syrischen
Flüchtling bei der Ankunft dessen Diabetesmedikamente abgenommen worden waren und im Rahmen der medizinischen Eingangsuntersuchung die daraufhin einsetzende Unterzuckerung nicht wahrgenommen wurde. Nachdem die Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation das medizinische Personal darauf aufmerksam gemacht hatten, begründeten diese den Vorfall mit dem Fehlen eines Dolmetschers für die arabische Sprache bei der Untersuchung […].

Ein weiterer systemischer Mangel besteht darin, dass sich nicht ausschließen lässt, dass Ungarn Dublin-Rückkehrer ohne inhaltliche Prüfung ihrer Asylanträge weiter nach Serbien als „sicheren Drittstaat“ abschiebt, was einen indirekten Verstoß gegen das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zur Folge hätte, weil Serbien seinerseits kein Asylverfahren aufweist, das eine inhaltliche Prüfung der Fluchtgründe garantiert […], Die in Ungarn gegen die Asylantragsablehnung auf der Grundlage der sicheren Drittstaatenregelung vorgesehene gerichtliche Überprüfung erweist sich nicht als Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Die ungarische Asylbehörde hat dem aus einem sicheren Drittstaat eingereisten Asylbewerber eine Anhörungsfrist von drei Tagen einzuräumen, innerhalb derer er geltend machen kann, weshalb der Drittstaat in seinem Einzelfall nicht als sicherer Drittstatt zu qualifizieren ist, bevor sie den Antrag als unzulässig ablehnen kann […]. Dagegen hat der Asylbewerber lediglich eine Klagefrist von sieben Tagen […] Im gerichtlichen Verfahren muss er den vollen Beweis erbringen, dass er in Serbien nicht die Möglichkeit hatte, sein Asylgesuch anzubringen […], was in der Praxis schon wegen der gesetzlich vorgegebenen Entscheidungsfrist des Gerichts von acht Tagen, des faktisch
eingeschränkten Zugangs zu rechtlichem Beistand und des Ausschlusses neuen Tatsachenvortrags nahezu unmöglich sein dürfte […]. Unter anderem wegen des Ausschlusses neuen Tatsachenvortrags hat die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet […]. Selbst in Fällen, in denen die ungarischen Gerichte Rechtsschutz gegen die Asylantragsablehnung gewährt haben, folgt die ungarische Asylbehörde der gerichtlichen Entscheidung offenbar nicht und lehnt die Anträge ein zweites Mal als unzulässig mit der Folge ab, dass erneut Rechtsschutz in Anspruch genommen werden muss […].

Das ungarische Asylverfahren weist weitere erhebliche Mängel auf, die den Kläger als Dublin-Rückkehrer zwar nur teilweise unmittelbar betreffen, jedoch aufzeigen, dass die zuvor ausgeführten Defizite nicht die einzigen Mängel des ungarischen Asylverfah rens sind, sondern vielmehr einen Teil von systemisch angelegten Defiziten darstellen. So hat die Europäische Kommission im Dezember 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet, weil zu befürchten sei, „dass es im Rahmen von Rechtsbehelfen nicht möglich ist, auf neue Fakten und Umstände zu verweisen, und
dass Ungarn Entscheidungen im Falle der Einlegung von Rechtsbehelfen nicht automatisch aussetzt, sondern dass Antragsteller bereits vor Verstreichen der Frist für die
Einlegung eines Rechtsbehelfs oder vor der Prüfung des Rechtsbehelfs effektiv gezwungen werden, ungarisches Hoheitsgebiet zu verlassen“. Außerdem bestünden „im Hinblick auf das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht nach Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Bedenken
hinsichtlich der Tatsache, dass gemäß den neuen ungarischen Vorschriften zur gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen über die Ablehnung eines Asylantrags
eine persönliche Anhörung der Antragsteller fakultativ ist“. Zudem scheine „der Umstand, dass gerichtliche Entscheidungen von Gerichtssekretären auf vorgerichtlicher
Ebene getroffen werden, einen Verstoß gegen die Asylverfahrensrichtlinie und Artikel 47 der Grundrechtecharta zu begründen“ […]. Weiterhin dürfen die ungarischen Gerichte auf Grund einer zum 1. September 2015 in Kraft getretenen Gesetzesänderung die Entscheidungen der ungarischen Asylbehörde nicht mehr abändern, sondern diese lediglich anweisen, den Fall erneut zu prüfen, was in der Praxis
dazu führt, dass diese häufig ihre Entscheidung ohne vertiefte Prüfung lediglich wiederholt und erneut Rechtsschutz gesucht werden muss […].

Durch mehrere Gesetzesänderungen zum 1. April 2016 und 1. Juni 2016 besteht selbst für Flüchtlinge, die in Ungarn einen Schutzstatus erhalten, die Gefahr der anschließenden Verelendung und Obdachlosigkeit […). Insbesondere ist es mit Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn sich ein Asylbewerber, der von staatlicher Unterstützung vollständig abhängig ist und sich in
einer gravierenden Mangel- oder Notsituation befindet, staatlicher Gleichgültigkeit aus gesetzt sieht […].

Sowohl die in den Jahren 2015 und 2016 beschlossenen asylrechtlichen Gesetzesänderungen als auch die politische Rhetorik der ungarischen Regierung legen den Schluss
nahe, dass es sich um bewusst zur Verringerung der Flüchtlingszahlen angelegte, systemische Mängel handelt […].

Die Ablehnung des Antrags auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ist darüber hinaus auch deshalb rechtswidrig, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine realistische Möglichkeit besteht, dass der Kläger innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft nach Ungarn überstellt werden könnte […]. Um [den] Anspruch auf effektiven Zugang
zum Asylverfahren und auf zügige Sachprüfung nicht ins Leere laufen zu lassen, hat ein Mitgliedstaat sein Selbsteintrittsrecht auszuüben, wenn die Überstellung an den an sich für zuständig erachteten Mitgliedstaat wegen dessen mangelnder Aufnahmebereitschaft aussichtslos erscheint […].

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Abschiebungsanordnung nicht nur mangels Zuständigkeit eines anderen Staats, sondern auch deshalb als rechtswidrig, weil § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die tatsächliche Möglichkeit der Abschiebung voraussetzt. Danach ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylver-
fahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Den zuvor gemachten Ausführungen zufolge kann nicht von einer realistischen Möglichkeit zur Durchführung der Abschiebung ausgegangen werden.

 

VGH Baden-Württemberg / Az.: A 11 S 1596/16 / Ungarn

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Das nach den verwerteten Erkenntnismitteln hoch defizitäre Haftanordnungs- bzw. Haftprüfungsverfahren, das die Betroffenen einer willkürlichen Behandlung aussetzt, und in dem sie in der Regel nicht einmal im Ansatz in ihrer Subjektqualität wahrgenommen werden, verstößt nicht nur gegen die menschenrechtlichen Garantien der Art. 5 und Art. 13 EMRK (vgl. zu dem Aspekt der mangelnden Eröffnung der maßgeblichen Gründe einer Inhaftierung und einer hieraus folgenden Verletzung von Art. 3 EMRK EGMR, Urteil vom 01.09.2015 – Nr. 16483/12, Khlaifia u.a./Italien -, juris; vom. 05.07.2016 – Nr. 9912/15), sondern auch – jedenfalls in Zusammenschau mit den konkreten Haftbedingungen bei desolater Unterbringungssituation und den Handlungsweisen des Personals mit systematischer Schlechtbehandlung – gegen Art. 3 EMRK und damit gegen Art. 4 GRCh. Es ist nach alledem davon auszugehen, dass angesichts der schweren Mängel des Haftanordnungsverfahrens der Kläger keine effektive und faire Chance haben wird, seine Belange in das Verfahren einzubringen und damit gehört zu werden, weshalb es dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, in Ungarn ein (weiteres) Verfahren auf internationalen Schutz durchzuführen, mit der Folge, dass mit der Asylantragstellung im Bundesgebiet die Zuständigkeit der Bundesrepublik begründet wurde. […]

Das ungarische Asylsystem weist ungeachtet dessen auch in anderer Hinsicht weitere schwere systemische Mängel auf, worauf es aber nicht mehr entscheidend ankommt. So behandelt Ungarn u.a. Serbien als sicheren Drittstaat (vgl. aida II, S. 43 f.; vgl. auch eccre/aida, Crossing Boundaries, October 2015, 34 ff. auch zur rückwirkenden Anwendung der Drittstaatenregelung), womit die massenhaften Einreiseverweigerungen und Zurückschiebungen an der serbisch-ungarischen Grenze zu erklären sind (vgl. u.a. aida II, S. 30 ff.; Hungarian Helsinki Committee, No Country for Refugees, 28.09.2015; ai, Stranded Hope, S. 14 f.). Serbien seinerseits sieht u.a. Griechenland, Mazedonien und die Türkei als sichere Drittstaaten an. […]

Schließlich weist der Senat darauf hin, dass es nachvollziehbare und glaubhafte aktuelle Schilderungen über die Behandlung von gestrandeten Flüchtlingen an der ungarischen Grenze gibt, die deutlich machen, dass Ungarn nicht nur ständig das Refoulement-Verbot verletzt, sondern dabei auch exzessive Gewalt anwendet. Minimale menschenrechtliche Standards werden auch dadurch verletzt, dass im Rahmen des Grenzregimes wiederholte erfolgreiche Versuche gegeben hat, ungarische NGOs daran zu hindern, durch eigene Hilfsmaßnahmen und Hilfsprojekte die äußerst schlechten Lebensbedingungen der an der Grenze ausharrenden Menschen zu lindern (amnesty international, So schlecht wie möglich, August 2016). Diese bei den handelnden staatlichen Organen offensichtlich vorherrschende ablehnende bis gar feindliche Grundeinstellung gegenüber Flüchtlingen, die in vielfach geschilderten Gewaltexzessen und in der inhumanen Verhinderung von Hilfseinsetzen von ungarischen NGOs exemplarisch zum Ausdruck kommt, lässt nach Überzeugung des Senats auch Rückschlüsse auf die oben geschilderte Schlechtbehandlung in der Asylhaft zu. Die Plausibilität und Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Berichte wird dadurch untermauert. Diese Feststellungen haben daher indirekt auch Relevanz für die Einschätzung der (künftigen) Situation des Klägers. […]

Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass am 10.12.2015 die Europäische Kommission gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat (vgl. Presserklärung der Europäischen Kommission vom 10.12.2015). Dieses hat im Wesentlichen die Effektivität des Rechtsschutzes zum Gegenstand. […]

Die in Ziffer 2 verfügte Abschiebungsanordnung setzt nach § 34a Abs. 1 AsylG voraus, dass die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgen kann und dies auch alsbald der Fall sein wird. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieses nicht der Fall sein könnte, ist die Beklagte ggf.
darlegungspflichtig, dass diese Voraussetzungen gleichwohl (noch) vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2016 – 1 C 24.15 -, juris). Zum einen ergab sich schon aus dem von der Beklagten selbst dem Senat bereits im Verfahren A 11 S 976/16 vorgelegten Quartalsbericht IV 2015 zum Mitgliedstaat Ungarn vom 27.01.2016, dass im gesamten Jahr 2015 von 33.220 Zustimmungsfällen tatsächlich nur 1.402 nach Ungarn überstellt worden waren, was einer Quote von 4,2 v.H. entsprach; im 4. Quartal war die Quote sogar auf 3,3 v.H. gesunken. Die mittlerweile vorliegende Dublin-Statistik für das 1. Halbjahr und das von der Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgelegte statistische Material zeichnen ein vergleichbares Bild; die Überstellungsquote betrug im gesamten 1. Halbjahr 2016 lediglich 7,14 v.H. (vgl. BAMF: Dublin-Statistik 1. Jahreshälfte 2016), was unübersehbar zu einem enormen Rückstau von Überstellungen geführt haben muss. Erst um die Jahresmitte 2016 hat sich die Quote deutlich verbessert, was ersichtlich auf die gesunkene Zahl
von Zustimmungen Ungarns zurückzuführen ist. Die Zahlen der erfolgten Überstellungen liegen aber immer noch deutlich unter der Zahl der Zustimmungen. An der sehr niedrigen Überstellungsquote und dem infolge dessen entstandenen extremen Rückstau hat sich somit nichts Grundlegendes geändert, er wächst sogar weiter ständig an. Allerdings finden durchaus regelmäßig Überstellungen statt, obwohl offizielle ungarische Verlautbarungen etwas anderes nahe legen. Soweit die Beklagte darauf abhebt, dass bei der Beurteilung und der Bewertung der Überstellungsquote berücksichtigt werden müssen, dass „viele“ Abschiebungen aus mancherlei Gründen nicht durchgeführt werden könnten, etwa weil sich die Betroffenen verweigern oder entziehen würden, so ist dieses zweifellos richtig. In der mündlichen Verhandlung wurde dieser Aspekt, insbesondere die naheliegende Frage, was unter „viele“ zu verstehen ist erörtert, von der Beklagten aber nicht beantwortet oder erläutert, da sie ohne vorherige Mitteilung der Verhandlung fern geblieben ist. Auch hatte die Beklagte auf die Anfrage des Senats, kein bestimmtes Handlungsmuster darlegen können, nach dem die Überstellungen durchgeführt und v.a. der Rückstau abgearbeitet werden soll, wobei hier nochmals darauf hinzuweisen ist, dass dieser gegenwärtig noch weiter zunimmt. Allein deshalb ist Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung aufzuheben. Der Senat sieht sich in seiner Einschätzung, dass der erhebliche Rückstau nicht in absehbarer Zeit abgebaut werden kann und wird, darin bestätigt, dass das für die Aufenthaltsbeendigung in ganz Baden-Württemberg zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe auf die Anfrage des Senats am 12.10.2016 mitgeteilt hat, dass im gesamten Jahre 2016 bislang 12 Überstellungen nach Ungarn durchgeführt worden sind. Bereits aufgrund dessen ist die Abschiebungsanordnung aufzuheben.

Die dargestellte Problematik hat jedoch auch weitergehende Folgen und berührt – ungeachtet der Ausführungen unter I – die Rechtmäßigkeit der Ziffer 1, in der der Asylantrag als unzulässig abgelehnt worden war. [….]