Siehe den am selben Tag ergangenen Beschluss des VG Düsseldorf mit dem Az.: 22 L 1616/15.A
Zu den Kapazitätsengpässen bei Dublin-Überstellungen nach Ungarn siehe auch diesen und diesen Artikel bei Bordermonitoring Ungarn.
Siehe den am selben Tag ergangenen Beschluss des VG Düsseldorf mit dem Az.: 22 L 1616/15.A
Zu den Kapazitätsengpässen bei Dublin-Überstellungen nach Ungarn siehe auch diesen und diesen Artikel bei Bordermonitoring Ungarn.
Es steht aber gegenwärtig jedenfalls nicht im Sinne von § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn durchgeführt werden kann. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist es Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen […]. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs 1 Satz 1 AsylVfG ist nicht etwa nur zu unterlassen, wenn ein Abschiebungshindernis vorliegt, sondern darf erst dann ergehen, wenn ein solches ausgeschlossen ist („feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“) […]. Daran fehlt es hier nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung. Denn es gibt wesentliche Gründe für die Annahme, dass eine Abschiebung des Antragstellers gegenwärtig tatsächlich unmöglich ist, weil es an der erforderlichen Übernahmebereitschaft Ungarns fehlt. Nach übereinstimmenden Presseverlautbarungen hat Ungarn unter dem 24. Juni 2015 das EU-Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen einseitig außer Kraft gesetzt und nimmt bis auf Weiteres keine Flüchtlinge mehr zurück, die aufgrund der Dublin III-VO abgeschoben werden sollen […]. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall dennoch von einer (fortbestehenden) Aufnahmebereitschaft Ungarns ausgegangen werden kann, sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der mittlerweile weiter ergangenen Stellungnahmen der ungarischen Regierung, denn auch ausweislich dieser Stellungnahmen ist Ungarn derzeit nicht bereit, solche Flüchtlinge aufzunehmen, die – jedenfalls auch – in Griechenland aufhältig gewesen sind. Dies ist bei dem Antragsteller ausweislich des entsprechenden Eintrags im EURODAC-Verzeichnis aber der Fall.
Zu den Kapazitätsengpässen bei Dublin-Überstellungen nach Ungarn siehe auch diesen und diesen Artikel bei Bordermonitoring Ungarn.
[D]as Bundesamt [hat] dem erkennenden Gericht und – zumindest – dem VG Oldenburg gegenüber erklärt, dass die ungarischen Behörden darum gebeten haben, vorübergehend keine Überstellungen nach Ungarn mehr durchzuführen. Das VG Oldenburg führt insoweit im Urteil vom 19.06.2015 aus:
„Im Klageverfahren 13 A 1408/15 ist dem Gericht vom Bundesamt sodann auf detaillierte Nachfrage u.a. zu den im Jahr 2015 aus Deutschland durchgeführten Überstellungen und den Kriterien, nach welchen bestimmt wird, welche Asylsuchenden tatsächlich überstellt würden, mit Schriftsatz vom 30. April 2015 ein Vermerk folgenden Inhalts vorgelegt worden:
1. Die ungarische Dublin Unit hat den Mitgliedsstaaten am 27. April mitgeteilt, dass bis einschl. 09.06.2015 keine Überstellungen durchgeführt werden können, da die Kapazitäten erschöpft seien.
2. Im Zeitraum Januar bis März 2015 wurden 2957 Übernahmeersuchen an Ungarn gestellt, in 2300 Fällen wurde zugestimmt. Im gleichen Zeitraum erfolgten 32 Überstellungen nach Ungarn. Eine Prognose, wieviel Flüchtlinge Ungarn in diesem Jahr voraussichtlich noch zurücknehmen wird, kann von hier aus nicht abgegeben werden.
3. Für die Überstellung gibt es keine konkreten Kriterien, das Überstellungsverfahren wird zeitnah nach Vollziehbarkeit eingeleitet. Allenfalls wird die verbleibende Überstellungsfrist für eine beschleunigte Einleitung des Überstellungsverfahrens herangezogen.“
In den Verfahren […] hat das Bundesamt mit Schriftsatz vom 13. Mai 2015 u.a. mitgeteilt: „Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass aktuell Rückführungen nach Ungarn bis 02.07.2015 nicht möglich sind. Wann sich diese Situation ändert, ist nicht absehbar“. In einer Mitteilung des Bundesamts vom 27. Mai 2015 im Klageverfahren […] ist davon die Rede, dass die Kapazitäten der ungarischen Behörden für eine Rückführung bis Mitte Juli 2015 erschöpft seien. Im neusten Schreiben des Bundesamts vom 15. Juni 2015 im Klageverfahren […] heißt es u.a., die Kapazitäten seien bis zur 34. KW ausgeschöpft.“
Der Kammer ist eine E-Mail der ungarischen Dublin-Unit u.a. an die Bundesrepublik Deutschland vom 29.05.2015 bekannt, wonach darum gebeten wird, an vielen Tagen bis zum 05.08.2015 – u.a. vom 06-09.07.2015 – von Überstellungen nach Ungarn abzusehen, da die Kapazitäten erschöpft seien („We kindly ask you not to plan any transfers to Hungary on […] because our capacities are full.“) Dass diese Mitteilung nur auf weitere, zusätzliche Transfers beschränkt wäre, ist aus dem Wortlaut der Nachricht nicht ersichtlich. Zum maßgeblichen Zeitpunkt hatte sich diese Situation weiter zugespitzt. Am Vorabend des Termin zur mündlichen Verhandlung meldeten österreichische und andere Presseorgane, dass Ungarn unilateral die Anwendung der Dublin-III-Verordnung suspendiert habe. So meldete „Die Presse“ in ihrer Online-Ausgabe am 23.06.2015 um 21:20 Uhr (http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4761198/Boot-ist-voll_Ungarn-nimmt-keine-Fluchtlinge-zuruck):
„[… Premier Viktor Orbán …] ließ am Dienstag einseitig die Dublin-III-Verordnung suspendieren. Ungarn wird fortan keine Flüchtlinge mehr zurücknehmen, die über die ungarische Grenze in die EU gekommen und danach in andere Mitgliedstaaten weitergezogen sind. „Wir alle wünschen uns eine europäische Lösung, aber wir müssen die ungarischen Interessen wahren und unsere Bevölkerung schützen“, sagte Orbáns Regierungssprecher, Zoltán Kovács, am Dienstag zur „Presse“. Ungarn habe Kapazitäten für 2500 Flüchtlinge und schon mehr als 3000 untergebracht. „Das Boot ist voll“, erklärte Kovaćs. Sein Land könne unmöglich zusätzlich noch zehntausende Dubin-Fälle aufnehmen. Das ungarische Innenministerium hat am Vormittag die Behörden in Wien über die Maßnahme in Kenntnis gesetzt. Daraufhin bestellte Österreichs Außenministerium den ungarischen Botschafter, János Perényi, ein. Die Aufhebung der Dublin-Vereinbarung erfolge „aus technischen Gründen“, heißt es in der Erklärung, die er gestern der Rechts- und Konsularsektion, Elisabeth Tichy-Fisslberger, überbrachte. Regierungssprecher Kovács ergänzte, die Suspendierung gelte für unbestimmte Zeit. Die ungarische Regierung benachrichtigte zudem Belgien, Tschechien, Frankreich, Finnland, die Niederlande, Luxemburg, Großbritannien, Norwegen, Schweden, die Slowakei und Deutschland.“
Gleiches meldete „The Guardian“ am 24.06.2015 (vgl. http://www.theguardian.com/world/2015/jun/24/the-boat-is-full-hungary-suspends-eu-asylum-rule-blaming-influx-of-migrants).
Unter Berücksichtigung dieser Auskünfte und Meldungen kann im maßgeblichen Zeitpunkt eine hinreichend zuverlässige Prognose, die Übernahme des Klägers durch den ungarischen Staat werde in naher Zukunft abgeschlossen sein, nicht erstellt werden (vgl. auch VG Stade, Beschluss vom 11.06.2015 – 6 B 815/15). Meldungen, dass Ungarn auf Druck der EU-Kommission diese Haltung aufgegeben hat (vgl. http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4761708/Ungarn-rudert-zuruck_Halten-alle-EURechtsnormen-ein), kamen erst nach Ende der mündlichen Verhandlung. Zweifel bleiben jedoch, wodurch die zuvor dargestellte kritische Lage nunmehr beseitigt worden sei. Im Übrigen wecken die Zahlen, die das Bundesamt zu den im 1. Quartal 2015 aus Deutschland durchgeführten Überstellungen vorgelegt hat, Bedenken daran, dass zwischen dem ungarischen Staat und der Bundesrepublik Deutschland ein funktionierendes, routiniertes und eingespieltes Übernahmeverfahren besteht (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 19.06.2015, aaO).
Die Rechtsmäßigkeit der Abschiebungsanordnung nach Ungarn begegnet gleichwohl rechtlich durchgreifenden Bedenken. Entgegen den Vorgaben des § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG dürfte nämlich nicht feststehen, dass der Antragsteller nach Ungarn abgeschoben werden kann. Der Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG ist aber nur dann rechtmäßig, wenn auszuschließen ist, dass ein Abschiebungshindernis vorliegt […]. Dem Bundesamt obliegt vor Erlass der Abschiebungsanordnung nicht nur die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse, sondern auch von inlandsbezogenen Vollzugshindernissen und Duldungsgründen. Für eine diesbezüglich originäre Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde ist daneben kein Raum, auch wenn solche der Abschiebung entgegenstehende Gründe erst nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftreten […]. Ein Duldungsgrund (§ 60 a Absatz 2 Satz 1 AufenthG) liegt vor, wenn die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, etwa weil die Rücknahmebereitschaft des Zielstaates der Abschiebung nicht geklärt ist […] oder – wie hier – nicht (länger) gegeben ist. Da § 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfg den Erlass der Abschiebungsanorndung tatbestandlich daran anknüpft, dass feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, steht auch ihre Rechtsmäßigkeit unter dem (andauernden) Vorbehalt der unzweifelhaften Bereitschaft des Zielstaates der Abschiebung, den Abzuschiebenden aufzunehmen […]. Dies ist hier nicht (mehr) der Fall. Ungarn hat unter dem 24. Juni 2015 das EU-Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen einseitig außer Kraft gesetzt und mitgeteilt, bis auf Weiteres keine Flüchtlinge mehr zurückzunehmen, die aufgrund der Dublin III-VO abgeschoben werden sollen […]. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dennoch von einer (fortbestehenden) Aufnahmebereitschaft Ungarn ausgegangen werden kann, sind nicht ersichtlich.
Zu den Kapazitätsengpässen bei Dublin-Überstellungen nach Ungarn siehe auch diesen und diesen Artikel bei Bordermonitoring Ungarn.
Das Gericht schließt sich in diesem Beschluss den Ausführungen der 23. Kammer des VG Berlin (15.1.2015) an.
Die vorgelegte amtsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. […] vom 26. März 2015 legt dar, dass eine Rückführung nach Ungarn nur für den Fall zu befürworten sei, wenn 100%ig gesichert werden könne, dass der Antragsteller sofort in therapeutisch kompetente Verhältnisse gebracht werde. Andernfalls würde die Rückführung zu einer unzumutbaren Retraumatisierung führen. Eine solche Sicherung seitens der ungarischen Behörden liegt jedoch nicht vor. Insoweit begegnet die Rechtmäßigkeit der […] verfügten Abschiebungsanordnung […] mit Blick auf ihre Durchführbarkeit nachträglich eingetretenen Bedenken. Zu berücksichtigen ist vorliegend […], dass nach Einschätzung des Amtsarztes Dr. […], die der fachärztlichen Diagnose […] in Bezug auf das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung uneingeschränkt und nach eigener Begutachtung […] folgt, hinsichtlich der Rückführung des Antragstellers nach Ungarn eine Sicherung der ungarischen Behörden verlangt, dass der Antragsteller „sofort in therapeutisch kompetente Verhältnisse“ gebracht wird, andernfalls eine unzumutbare Retraumatisierung drohe. Eine solche nach amtsärztlicher Auffassung für den Ausschluss der Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Antragstellers zwingend erforderliche Erklärung der ungarischen Behörden liegt jedoch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vor. Unabhängig von der Frage, ob die Zusicherung des Liasonbeamten anstelle der ausdrücklichen Zusicherung seitens der zuständigen ungarischen ungarischen Behörde ausreicht, genügt die per E-Mail am 17. April 2015 übersandte Bestätigung, eine entsprechende Behandlung sei sichergestellt, nicht den Anforderungen der von Seiten des Amtsarztes geforderten Gewährleistung. Vor allem im Hinblick darauf, dass laut E-Mail vom 17. April 2015 zwar eine „entsprechende Behandlung“ sichergestellt sei, im Nachsatz jedoch darum gebeten wird, „bei der Überstellungsankündigung einen fetten Hinweis auf die konkrete psychische Erkrankung“ mit anzubringen, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass – wie von Seiten des Amtsarztes gefordert – der Antragsteller bei Rückführung nach Ungarn „sofort in therapeutisch kompetente Verhältnisse“ gebracht wird. Wird den ungarischen Behörden erst mit der tatsächlichen Überstellung die konkrete Erkrankung des Antragstellers mitgeteilt, läuft eine Zusicherung, „eine entsprechende Behandlung“ sei sichergestellt, faktisch von vornherhein ins Leere, da ohne Kenntnis der tatsächlichen Erkrankung weder die Art der Behandlung noch die konkret auf die Bedürfnisse des Antragstellers abgestimmte erforderlichen Maßnahmen zugesichert werden können. Dass der Antragsteller unmittelbar nach der Überstellung die für ihn konkret erforderliche psychotherapeutische Behandlung erfährt, ist damit nicht gewährleistet. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Falle der Abschiebung nach Ungarn mit einer Retraumatisierung des Antragstellers zu rechnen ist, so dass ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorliegt.
Der Gesetzgeber geht von der zügigen Durchführung der Abschiebung aus. Die Behörde hat einen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer unverzüglich abzuschieben oder ihn zu dulden. Ergeben sich Hindernisse, die eine erhebliche Verzögerung der Abschiebung nach sich ziehen, ist nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu verfahren. Die Behörde hat mithin nicht nur zu untersuchen, ob die Abschiebung des Ausländers überhaupt durchgeführt werden kann, sondern auch zu prüfen, innerhalb welchen Zeitraums dies möglich ist. Wenn dieser Zeitraum ungewiss ist, ist eine Duldung zu erteilen. Vgl. BVerwG […]. Im Falle der Antragsteller sind derzeit indes Hindernisse gegeben, die eine nicht nur kurzfristige, sondern erhebliche Verzögerung der Abschiebung nach sich ziehen. Ungarn hat die Bundesrepublik Deutschland nämlich unter dem 29. Mai 2015 gebeten, keine weiteren Rückführungen vorzunehmen, weil seine Aufnahmekapazitäten erschöpft seien. Bei einer erst voraussichtlich in mehr als sieben Wochen möglichen Abschiebung […], liegt jedoch ein derart ungewisser Zeitraum vor, dass nicht mehr von einer „alsbaldigen“ Abschiebung gesprochen werden kann.
Zu den Kapazitätsengpässen bei Dublin-Überstellungen nach Ungarn siehe auch diesen und diesen Artikel bei Bordermonitoring Ungarn.
Allerdings ist die Anordnung, den Kläger nach Ungarn abzuschieben, zu beanstanden. Denn die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG liegen nicht (mehr) vor. Nach dieser Norm ordnet das Bundesamt ohne vorherige Androhung und Fristsetzung die Abschiebung eines Ausländers in den für das Asylverfahren zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Der Gesetzgeber wollte mit § 34a Abs. 1 AsylVfG die Möglichkeit schaffen, für eine in der Regel nur kurzfristig durchführbare Rückführung ein verkürztes Verfahren zu schaffen (s. Bundestagsdrucksache 12/4450, S. 23). Die Abschiebungsanordnung ist deshalb nicht quasi auf Vorrat zulässig, sondern erst dann, wenn das Übernahmeverfahren positiv abgeschlossen ist, weil der andere Staat seine Übernahmebereitschaft auf die vorhergesehene Art und Weise verbindlich erklärt hat und die näheren Umstände der Überstellung wenigstens dem Grundsatz nach geklärt sind, etwa wenn zwischen dem jeweiligen Staat und der Bundesrepublik Deutschland ein funktionierendes, routiniertes und eingespieltes Übernahmeverfahren praktiziert wird, das die zuverlässige Prognose zulässt, die Übernahme werde in naher Zukunft abgeschlossen werden können (s. dazu Funke/Kaiser in GK-AsylVfG, Stand Juni 2014, § 34a, Erläuterung 46). Das Bundesamt hat vor Erlass der Abschiebungsanordnung der Frage nachzugehen, ob der ersuchte Mitgliedsstaat tatsächlich zur (Wieder)aufnahme bereit ist (s. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. März 2015 – A 11 S 2042/14 – juris < im dortigen Fall bestand die Frage, ob die Überstellungsfrist abgelaufen war>). Zudem ist – solange die Abschiebung eines Ausländers aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist – auch ein Vollzugshindernis im Sinne des § 60a AufenthG gegeben und hindert den Erlass einer Abschiebungsanordnung. Die tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung ist dann anzunehmen, wenn für einen vorausschaubaren Zeitraum die Abschiebung ausgeschlossen ist und erst recht, wenn die Abschiebemöglichkeit zeitlich völlig ungewiss ist. Nicht ausreichend ist eine vorübergehende zeitliche Verzögerung in Folge administrativer Vorkehrungen (s. zu alledem mit weiteren Nachweisen BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 – 1 C 23/99 – juris; Funke-Kaiser in GK, AufenthG, Stand März 2015, § 60a Erl. 258 ff; Hailbronner in AuslR, Stand Juni 2009, § 60a AufenthG, Erl. 50 ff). Das Bundesamt hat bei Erlass der Abschiebungsanordnung zu prüfen, ob derartige der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse vorliegen und im Falle nachträglich auftretender Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 – juris). Hier hat das Bundesamt dem Gericht in den Verfahren 13 A 1441/15 und 13 B 1440/15 auf Nachfrage mitgeteilt, die ungarischen Behörden hätten darum gebeten, bis zum 19. Mai 2015 keine Überstellungen nach Ungarn mehr durchzuführen. Im Klageverfahren 13 A 1408/15 ist dem Gericht vom Bundesamt sodann auf detailliertere Nachfrage u.a. zu den im Jahr 2015 aus Deutschland durchgeführten Überstellungen und den Kriterien, nach welchen bestimmt wird, welche Asylsuchenden tatsächlich überstellt würden, mit Schriftsatz vom 30. April 2015 ein Vermerk folgenden Inhalts vorgelegt worden:
„1. Die ungarische Dublin Unit hat den Mitgliedsstaaten am 27. April 2015 mitgeteilt, dass bis einschl. 09.06.2015 keine Überstellungen durchgeführt werden können, da die Kapazitäten erschöpft seien.
2. Im Zeitraum Januar bis März 2015 wurden 2957 Übernahmeersuchen an Ungarn gestellt, in 2300 Fällen wurde zugestimmt. Im gleichen Zeitraum erfolgten 32 Überstellungen nach Ungarn. Eine Prognose, wieviel Flüchtlinge Ungarn in diesem Jahr voraussichtlich noch zurücknehmen wird, kann von hier aus nicht abgegeben werden.
3. Für die Überstellung gibt es keine konkreten Kriterien, das Überstellungsverfahren wird zeitnah nach Vollziehbarkeit eingeleitet. Allenfalls wird die verbleibende Überstellungsfrist für für eine beschleunigte Einleitung des Überstellungsverfahrens herangezogen.“
In den Verfahren 13 A 1871/15 und 13 B 1873/15 hat das Bundesamt mit Schriftsatz vom 13. Mai 2015 u.a. mitgeteilt: „Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass aktuell Rückführungen nach Ungarn bis 02.07.2015 nicht möglich sind. Wann sich diese Situation ändert, ist nicht absehbar.“ In einer Mitteilung des Bundesamts vom 27. Mai 2015 im Klageverfahren 13 A 848/15 ist davon die Rede, dass die Kapazitäten der ungarischen Behörden für eine Rückführung bis Mitte Juli 2015 erschöpft seien. Im neuesten
Schreiben des Bundesamts vom 15. Juni 2015 im Klageverfahren 13 A 383/15 heißt es u.a., die Kapazitäten seien bis zur 34. KW ausgeschöpft. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Auskünfte kann eine hinreichend zuverlässige Prognose, die Übernahme des Klägers durch den ungarischen Staat werde in naher Zukunft abgeschlossen sein, nicht erstellt werden. Fest steht, dass bis zum 23. August 2015 eine Abschiebung des Klägers definitiv nicht erfolgen wird. Ob und in welchem Umfang der ungarische Staat anschließend wieder Asylsuchende im Rahmen des Überstellungsverfahrens aufnehmen wird, muss als offen angesehen werden. Auch die Zahlen, die das Bundesamt zu den im 1. Quartal 2015 aus Deutschland durchgeführten Überstellungen vorgelegt hat, wecken im Übrigen Bedenken daran, dass zwischen
dem ungarischen Staat und der Bundesrepublik Deutschland ein funktionierendes, routiniertes und eingespieltes Übernahmeverfahren besteht. Zwar hat Ungarn in 2300
Fällen den Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland formal entsprochen, tatsächliche Überstellungen erfolgten jedoch nur in einem Umfang von ca. 1,4 %. Die offensichtlichen Probleme beim Vollzug der in der Dublin III-VO normierten Regelungen zur Aufnahme/ Wiederaufnahme von Asylsuchenden und der Überstellung stellen nach Auffassung des Gerichts auch keine bloße zeitliche Verzögerung in Folge administrativer Vorkehrungen für eine an sich bereits ins Auge gefasste Abschiebung dar.
The current measures for beneficiaries of international protection are ineffective in equipping them with the skills and support necessary for integration. Refugees face many problems in practice, notably homelessness; sleeping in certain public places can now lead to criminal sanctions. Around 22 % of all asylum seekers are deprived of their liberty, mostly in asylum detention facilities with very poor living conditions, harsh treatment by guards and lack of access to legal aid or assistance from civil society […].
In 2013, following a sudden and large influx of asylum seekers, Jobbik began to stoke intolerance towards migrants; it announced a protest to demand the removal of the Debrecen reception centre (see also the section on Topics specific to Hungary, Detention of asylum seekers). Asylum seekers then became the target of extremely xenophobic public discourse and social media invoked stereotypes of them bringing infectious diseases into the country, as well as being „lazy”, “uncivilised” and “criminals”. In August 2014, a Jobbik member called for tougher policies towards refugees who put a great financial burden on the country, reduce public safety standards and cause health risks […].
However, beneficiaries of international protection must move out of reception centres within two months of obtaining international protection. While the move away from “camp-based” integration towards a community-based system has generally been welcomed, refugees face problems in practice. It takes several months before they start to receive financial support and this progressively decreases at the end of each six-month period down to 25% of the original amount. Most have no jobs when they leave the reception facilities and do not speak Hungarian […].
As a result, one of the most serious problems faced by refugees is the risk of homelessness. ECRI notes that recent amendments to the Fundamental Law authorise the criminalisation of sleeping in public places; Hungary adopted amendments to the Act on Misdemeanor in 2013 to this effect, despite strong criticism expressed by the UN Special Rapporteurs on extreme poverty and on adequate housing. The new legislation is particularly harsh for refugees, since their financial support is insufficient to rent an apartment and cover subsistence expenses. The UNHCR points out that some beneficiaries of international pro0tection have re-applied for asylum in Germany in order to avoid homelessness, and possible criminal sanctions, in Hungary.
[Es] kann dahinstehen, ob der Antragsteller in Ungarn überhaupt um Asyl nachgesucht hat. Denn es steht zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht im Sinne des § 34a AsylVfG fest, dass die Abschiebung nach Ungarn durchgeführt werden kann. Gemäß § 27 AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Soll der Ausländer in einen nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald „feststeht“, dass sie durchgeführt werden kann […]. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es fehlt an der praktischen Möglichkeit der zeitnahen Abschiebung. Zwar hat Ungarn seine Zustimmung zur Rückübernahme des Antragstellers in seinen Hoheitsbereich erteilt. Jedoch steht derzeit nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, weil Ungarn unter dem 29.05.2015 […] eine zeitlich begrenzte Rücknahmesperre bis zum 05.08.2015 ausgesprochen hat. Ungarn bittet darum, bis zum 05.08.2015 keine Flüchtlinge zu überstellen, da die Kapazitäten erschöpft seien. Die Abschiebung kann daher nicht in allernächster Zeit durchgeführt werden.
Zu den Kapazitätsengpässen bei Dublin-Überstellungen nach Ungarn siehe auch diesen und diesen Artikel bei Bordermonitoring Ungarn.