Der Begriff des systemischen Mangels weit zu verstehen. Mit „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen“ ist der Gesamtkomplex des Asylsystems im Zielstaat gemeint. Dieses umfasst den Zugang zum Asylverfahren, das Asylverfahren selbst, die Behandlung während des Asylverfahrens, die Handhabung der Anerkennungsvoraussetzungen, das Rechtsschutzsystem und auch die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Qualifikationsrichtlinie geregelte Behandlung nach der Anerkennung (vgl. Lübbe „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 2014, 105 ff; Bank/Hruschka, ZAR 2012, 182 ff.) […].
Maßgeblich für diese Einschätzung sind zunächst die von niemandem mehr ernsthaft bestrittenen erheblichen Kapazitätsprobleme, die zwar – soweit ersichtlich – derzeit eine Reihe von europäischen Staaten, auch die Bundesrepublik Deutschland betreffen, in Ungarn aber wohl weit massiver sind […]. Denn in der ersten Jahreshälfte 2015 sind nach Angaben der Regierung bis zu 72.000 Flüchtlinge nach Ungarn eingereist […]. Bis zum 14. Juli 2015 sollen es bis zu 78.000 Flüchtlinge gewesen sein […]. Die Aufnahmekapazitäten liegen bei maximal 2.500 Plätzen für Flüchtlinge. Bei einem Verhältnis von bis zu 29 Flüchtlingen im Halbjahr für einen Aufnahmeplatz ist für die Kammer schon im Ansatz nicht mehr erkennbar, wie hier eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge gewährleistet werden soll. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass zahlreiche Flüchtlinge, soweit sie nicht nicht inhaftiert werden, untertauchen und in weitere EU-Länder weiterreisen. Denn angesichts der enorm hohen Zahl, die sich binnen weniger Jahre vervielfacht hat, sind die Aufnahmekapazitäten völlig unzureichend. Es ist ausgeschlossen, dass Unterkunft und Verpflegung in einem Mindestansprüchen genügenden Sinne vorgehalten werden, um die häufig traumatisierten Flüchtlinge ausreichend zu versorgen. Viele Flüchtlinge werden dementsprechend auf der Straße leben, wo sie einer feindseligen Umgebung und einer zunehmenden Anzahl an rassistischen Übergriffen ausgesetzt sind […].
Hinzu kommt, dass der Kläger damit rechnen muss, bei einer Überstellung nach Ungarn inhaftiert zu werden. Es kann dahinstehen, ob bereits die Inhaftierungspraxis einen systemischen Mangel darstellt, denn die ungarische Regierung hat am 6. Juli 2015 eine Änderung des Asylrechts beschlossen, die am 1. August 2015 in Kraft getreten ist. Diese soll nicht nur eine erhebliche Verfahrensverkürzung auf wenige Tage unter Wegfall bzw. massiver Einschränkung der gebotenen Rechtschutzmöglichkeiten sowie eine Verlängerung der Inhaftierung aller Asyl- bzw. Flüchtlingsschutzsuchenden, die in das Land illegal eingereist sind, einschließlich Frauen, Kinder und besonders Schutzbedürftiger, vorsehen; sondern Asylsuchenden kann nach den gegenwärtigen Erkenntnissen des Gerichts infolge der Gesetzesänderung der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt werden sollten sie durch eines der Länder eingereist sein, das die ungarischen Behörden nun als „sicher“ eingestuft haben. Jeder, der auf dem Weg nach Ungarn durch eines dieser Länder eingereist ist, könnte ungeachtet des jeweiligen Herkunftslandes abgewiesen werden. Zu einer ganzen Reihe neuer Ablehnungsgründe zählt daher offenbar auch die Möglichkeit, die Anträge von Asyl- und Flüchtlingsschutzsuchenden, die durch „sichere Drittstaaten“ gekommen sind, für unzulässig zu erklären und diese in in „sichere Drittstaaten“ zurückzuführen. Auf der von der ungarischen Regierung erstellten Liste soll unter den Begriff „sichere Drittstaaten“ neben Serbien, Albanien, Mazedonien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und Kosovo auch Griechenland fallen. Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Kläger bei einer Rückführung nach Ungarn von dem Risiko der Abschiebung in eines dieser Länder bedroht sind, ohne dass eine den europäischen Mindestanforderungen genügende Prüfung ihrer Schutzbedürftigkeit erfolgen würde. Dies würde eine Verletzung des Non-Refoulement-Gebots der Genfer Flüchtlingskonventionen bedeuten […]. Vor diesem Hintergund hat sich auch der UNHCR zutiefst besorgt darüber gezeigt, dass die vorgeschlagene Änderung des Asylrechts die Rücksendung von Asylbewerbern in potentiell unsichere Drittstaaten ermögliche […].
Nicht unberücksichtigt bleiben können schließlich die Aktionen und Äußerungen der rechtsnationalen Regierung Ungarns der vergangenen Tage, die zur Überzeugung der zur Entscheidung berufenen Einzelrichterin ein Klima schaffen, das die ohnehin kaum noch tragbare Lage der Flüchtlinge in Ungarn weiter verschärfen wird.
Alle Beiträge von ms
EGMR setzt Abschiebung nach Ungarn aus
Laut einer Mail der EGMR-Pressestelle an eine ungarische Online-Zeitung hat der EGMR letzte Woche eine Abschiebung von Österreich von Ungarn vorübergehend untersagt:
Dear Sir, Thank you for your email. We can confirm that last week the Court decided to apply Rule 39 (interim measures) of the Rules of Court temporarily and asked for factual information from the Austrian Government in a case concerning a Syrian national facing removal from Austria to Hungary. Interim measures are urgent measures which, according to the Court’s well-established practice, apply only where there is an imminent risk of irreparable harm. Such measures are decided in connection with proceedings before the Court without prejudging any subsequent decisions on the admissibility or merits of the case in question.With best wishes, ECHR – Press Unit
Update: Es handelt sich sogar um zwei Fälle aus Österreich, bei denen von EMGR von der „Rule 39“ Gebrauch gemacht hat.
Download Entscheidung I (9.9.2015)
Download Entscheidung II (14.9.2015)
VG Hannover 4. Kammer / 4 A 5541/13 / Ungarn
Eine Abschiebungsanordnung ist nur rechtmäßig, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage, also der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Republik Ungarn hat zwar am 21.03.2013 gemäß Art. 4 RÜA der Rückübernahme des Klägers zugestimmt. Gemäß Art. 5 Abs 1 Satz 3 RÜA erfolgt die kontrollierte Übernahme sodann unverzüglich, längstens jedoch innerhalb einer Frist von drei Monaten, nachdem die ersuchte Vertragspartei der Übernahme zugestimmt hat. Diese Frist ist abgelaufen. Sie kann zwar gemäß Art 5 Abs. 1 Satz 4 RÜA im Falle rechtlicher und tatsächlicher Hindernisse verlängert werden. Für seine Entscheidungsfindung muss das Gericht aber davon ausgehen, dass diese Frist nicht verlängert wurde. Auf die Anfrage des Gerichts, ob die Republik Ungarn zur Rückübernahme des Klägers bereit sei, verwies der Beklagte auf die Erklärung vom 21.03.2013 und machte geltend, dies gelte unbefristet. Daraufhin gab das Gericht dem Beklagten unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 Satz 3 und 4 RÜA auf, nachzuweisen, dass die Frist entsprechend verlängert wurde, verbunden mit dem Hinweis, dass das Gericht davon ausgehe, dass eine Abschiebung nach Ungarn nicht durchgeführt werden könne, sofern dieser Nachweis nicht geführt werde. Der Beklagte beantwortete dieses Schreiben jedoch nicht. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Frist nicht verlängert wurde, so dass eine Abschiebung des Klägers nach Ungarn unmöglich ist. Die Frage, ob eine Abschiebung des Klägers nach Ungarn gegen Art. 3 EMRK verstieße, kann daher offen bleiben.
VG Minden 3. Kammer / Az.: 3 L 806/15.A / Ungarn
Es ist derzeit offen, ob sich im anhängigen Hauptsacheverfahren erweisen wird, dass die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung rechtswidrig ist oder nicht. Jedenfalls nach der zum 01.08.2015 in Kraft getretenen Änderung des ungarischen Asylrechts kann nicht ausgeschlossenen werden, dass dem Antragsteller bei einer Rückführung nach Ungarn eine weitere Abschiebung nach Serbien und damit letztlich in sein Herkunftsland droht ohne dass eine den europäischen Mindestanforderungen genügende Prüfung seiner Schutzbedürftigkeit erfolgen würde. Dies würde eine Verletzung des Non-Refoulement-Gebots der Genfer Flüchtlingskonventionen und der Europäischen Menschenrechtskonvention bedeuten.
VG Frankfurt am Main 9. Kammer / 9 L 3057/15.F.A / Ungarn
Nach Einschätzung der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erkennbaren Sachlage würde der im Jahre 1992 geborene Antragsteller in ein defizitäres, nicht funktionierendes Asylsystem in Ungarn zurückgeschickt. Das Aufnahmesystem in Ungarn ist deutlich durch die Vielzahl von Asylsuchenden in der Europäischen Union überlastet und muss diesen quantitativ beachtlichen Ansturm das Ersteinreiseland aushalten. Dafür ist es derzeit nicht ausgelegt und genügend aufnahmebereit, was überdies staatlicherseits zu problematischen Haftanordnungen und administrativen Abwehrstrategien geführt hat. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Versorgung der Asylsuchenden, wobei die Messlatte nur an die Basisversorgung gelegt wird. Obdach, Ernährung und Gesundheitsversorgung sind schon quantitativ nicht gewährleistet. Dies wird im Einzelnen in dem jüngsten Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 07.07.2015 […] unter Auswertung von Nachrichten sachbefasster Stellen ausgeführt, worauf das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.
VG Magdeburg 9. Kammer / 9 B 713/15 MD / Ungarn
[I]m anhängigen gerichtlichen Verfahren hat sich eine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben. Nach der neuerlichen Richtlinie des Bundesamtes vom August 2015 werden Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitestgehend faktisch nicht weiter betrieben. Danach wird auch bei „vollziehbaren Abschiebungsandrohungen“ und „angestoßenen Überstellungen“ das „Dublin-Verfahren abgebrochen“ und das „Selbsteintrittsrecht sofort ausgeübt“ und die „Überstellung storniert“. Warum dies im vorliegenden Fall nicht geschieht, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts. In einer E-Mail der Antragsgegnerin an die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers heißt es dazu, „dass das Verfahren des von Ihnen vertretenen jungen Syrers so weit vorangeschritten ist, dass die Überstellung durchgeführt wird.“ Dies stellt keine ordnungsgemäße Ermessensausübung bzw. Gleichbehandlung dar, worauf der Antragsteller einen Anspruch hat. Auch wenn es sich bei der „Richtlinie“ bzw. „Leitlinie“ um keine gesetzliche Regelung im Sinne eines formellen Gesetzes handelt, hat sich die Beklagte damit im Sinne einer Verwaltungsvorschrift eine (selbst)bindende Regelung gegeben, die gerade eine gleichmäßige Anwendung und damit eine Vereinfachung der Verfahren garantieren soll. Vom rechtlichen Regelungsgehalt der „Leitlinie“ im Sinne eines einklagbaren Anspruchs abgesehen, hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch aufgrund veränderter Umstände. Zum Zeitpunkt der jetzigen gerichtlichen Entscheidung haben sich die politischen Ereignisse in Ungarn im Zusammenhang mit dem Dublin-Abkommen überschlagen. Wie die Kammer bereits in ständiger Rechtsprechung ausführt, verhält sich Ungarn nicht unionskonform und es ist anzunehmen, dass Ungarn wegen der Inhaftierung von Asylbewerbern und den Mängeln in den Unterbringungen systemische Mängel im Asylsystem aufweist. Zudem hat Ungarn unlängst Verschärfungen des nationalen Asylrechts beschlossen. Unter diesen tatsächlichen Umständen kann es das Gericht nicht verantworten, den Antragsteller im Zeitpunkt dieser, innerhalb weniger Stunden unter den Gegebenheiten einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zu treffenden gerichtlichen Eilentscheidung nach Ungarn abzuschieben.
Bundesverwaltungsgericht Österreich / Az.: W117 211366-1/4E / Ungarn
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verkennt in seiner vorliegenden Entscheidung aber, dass einzelne Aspekte der tatsächlichen Situation in Ungarn schon in den vergangenen Jahren (insbesondere bis 2012) Probleme hinsichtlich Gefährdungen der EMRK/der GRC bei Überstellungen aufgeworfen haben (was auch im Lichte der für Dublin II wie Dublin III maßgeblichen Entscheidung des EuGH in Abdullahi vom 10.12.2013, C-394/12, ein justiziables Rechts auf Abstandnahme von einer Überstellung auslösen kann) und dass vor dem Hintergrund der jüngsten gesetzlichen Entwicklungen im ungarischen Asylsystem , welche bereits bei prima /facie-Betrachtung jedenfalls in eine der damaligen Lage vergleichbare Richtung deuten, in Zusammenschau mit den allgemeinen politischen und tatsächlichen Entwicklungen innerhalb des Asylsystems Ungarns der letzten Monate eine Neubewertung der Situation erforderlich wird und ist zumindest einzelfallspezifisch oder auf gewisse Fallkonstellationen bezogen jedenfalls ein erhöhter Abklärungs- und Begründungsbedarf gegeben. Dem ist aber gegenständlich – in qualifizierter Art und Weise – nicht hinreichend Rechnung getragen worden; dies aus nachfolgenden Erwägungen: […]
Da die Schubhaftanordnung nach den angeführten Bestimmungen, aber auch nach Art 5 lit f EMRK und Art 2 Abs 1 Z 7 PerFrSchG von einem übergeordneten (Sicherungs)Zweck abhängig ist – gegenständlich von der Sicherung der Abschiebung (nach Ungarn) – dieser aber aktuell aufgrund der aktuell instabilen Situation in Ungarn nicht mehr mit hinreichender Sicherheit feststellbar ist, ist der gegenständlich angefochtene Bescheid einer wesentlichen Grundlage beraubt, sodass er mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.
VG Potsdam 4. Kammer / Az.: 4 L 886/15.A / Ungarn
Angesichts der sich in den vergangenen Tagen und Wochen dramatisch zuspitzenden Entwicklungen hat sich der zu Entscheidung berufene Einzelrichter jedoch – unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung – nicht mehr die Überzeugungsgewissheit verschaffen können, dass das Asylverfahren in Ungarn frei von systemischen Mängeln ist […]. Maßgeblich für diese Einschätzung sind zum einen die von niemandem mehr ernsthaft bestrittenen erheblichen Kapazitätsprobleme, die zwar – soweit ersichtlich – derzeit eine Reihe von europäischen Staaten, auch die Bundesrepublik Deutschland betreffen, in Ungarn aber wohl weit massiver sind […]. Hinzu kommt, dass die ungarische Regierung am 6. Juli 2015 eine Änderung des Asylrechts beschlossen hat, die am 1. August 2015 in Kraft getreten ist. Diese soll nicht nur eine erhebliche Verfahrensverkürzung auf wenige Tage unter Wegfall bzw. massiver Einschränkung der gebotenen Rechschutzmöglichkeiten sowie eine Verlängerung der Inhaftierung aller Asyl- bzw. Flüchtlingsschutzsuchenden, die in das Land illegal eingereist sind, einschließlich Frauen, Kinder und besonders Schutzbedürftiger, vorsehen. Asylsuchenden kann nach den gegenwärtigen Erkenntnissen des Gerichts infolge der Gesetzesänderungen der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt werden, sollten sie durch eine der Länder eingereist sein, das die ungarischen Behörden nun als „sicher“ eingestuft haben. Jeder, der auf dem Weg nach Ungarn durch eines dieser Länder gereist ist, könnte ungeachtet des jeweiligen Herkunftslandes abgewiesen werden. Zu einer ganzen Reihe neuer Ablehnungsgründe zählt daher offenbar auch die Möglichkeit, die Anträge von Asyl- und Flüchtlingsschutzsuchenden, die durch „sichere Drittländer“ gekommen sind, für unzulässig zu erklären und diese in „sichere Drittstaaten“ zurückzuführen. Auf der von der ungarischen Regierung erstellten Liste soll unter den Begriff „sichere Drittstaaten“ neben Serbien, Albanien, Mazedonien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und Kosovo auch Griechenland fallen. Es kann daher derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass auch der Antragsteller bei einer Rückführung nach Ungarn von dem Risiko der Abschiebung nach Griechenland bedroht ist, ohne dass eine den europäischen Mindestanforderungen genügende Prüfung seiner Schutzbedürftigkeit erfolgen würde. Dies würde eine Verletzung des Non-Refoulement-Gebots der Genfer Flüchtlingskonventionen und der Europäischen Menschenrechtskonvention bedeuten […]. Vor diesem Hintergrund hat sich auch der UNHCR zutiefst besorgt darüber gezeigt, dass die vorgeschlagene Änderung des Asylrechts die Rücksendung von Asylbewerben in potentiell unsichere Drittstaaten ermögliche […]. Nicht unberücksichtigt bleiben können schließlich die Aktionen und Äußerungen der rechtsnationalen Regierung Ungarns der vergangenen Tage, die zur Überzeugung des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters ein Klima schaffen, das die ohnehin kaum noch tragbare Lage der Flüchtlinge in Ungarn weiter drastisch verschärfen wird […].
Vg Düsseldorf 22. Kammer / Az.: 22 L 2944/15.A / Ungarn
Das Gericht ändert von Amts wegen den im Tenor genannten Beschluss […]. weil das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt das bezüglich der Abschiebungsanordnung […]gesetzlich angeordnete Interesse an deren sofortiger Durchsetzbarkeit überwiegt […].
Vorliegend ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte für systemische Mängel im oben genannten Sinn hinsichtlich des Asylverfahrens in Ungarn aus den zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen des ungarischen Asylrechts, soweit sie sich aus frei zugänglichen Veröffentlichungen ergeben[…]. Insbesondere begründet die Aufnahme von Serbien – neben allen anderen an Ungarn angrenzenden Staaten – in die Liste der sicheren Drittstaaten die Gefahr, dass der betroffene Antragsteller keinen Zugang zu einem Asylverfahren erhält, in dem eine inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe vorgenommen würde. Es besteht die Gefahr, dass er bei einer Überstellung nach Ungarn durch die dortigen Behörden ohne inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe nach europäischen Mindeststandards beispielsweise nach Serbien abgeschoben wird. Nach den Feststellungen des Europäischen Kommissars für Menschenrechte ist jedoch jedenfalls hinsichtlich Serbien äußerst zweifelhaft, dass das dortige Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen den europäischen Mindestanforderungen entsprechen […]. Damit liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Ungarn eine weitere Abschiebung in ein nicht sicheres Drittland und damit in sein Herkunftsland droht, ohne ihm Zugang zu einem Verfahren auf Zuerkennung internationalen Schutzes zu gewährleisten in dem seine Fluchtgründe inhaltlich geprüft werden. Darin läge zugleich ein Verstoß gegen das Refoulement-Verboten zu Lasten des Antragstellers […].
VG Düsseldorf 8. Kammer / Az.: 8 L 2806/15.A / Ungarn
Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines nach § 80 Abs. 5 VwGO erlassenen Beschlusses wegen veränderter Umstände beantragen […].
Nach den vor vorstehenden Informationen sind die Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit nach dem Dublin III-Abkommen und zur Prüfung eines Asylgesuchs in Zuständigkeit des ungarischen Staates sowohl vor den ungarischen Behörden wir vor den ungarischen Gerichten etwa durch die Verkürzung von Fristen und die an Firstversäumnisse angeknüpften Sanktionen sowie neu gefasste Beweislastregeln formell wie materiell in einer Weise verändert worden, die ernsthaft befürchten lässt, dass das ungarische Asylrecht seit dem 1. August 2015 hinter den Verfahrensgarantien der Dublin III-Verordnung und den Vorgaben der Qualifikationsrichtline zurückbleibt und die in Ungarn Schutzsuchenden auch in Rechten verletzt, die ihnen auf europäischer Ebene grundrechtlich verbürgt sind.
Zudem besteht insbesondere durch die Aufnahme von Serbien – neben allen anderen an Ungarn angrenzenden Staaten – in die Liste der sicheren Drittstaaten die Gefahr, dass Schutzsuchende nach einer Überstellung nach Ungarn ohne inhaltliche Prüfung ihrer Fluchtgründe in Staaten abgeschoben werden, für die zumindest zweifelhaft ist, dass die dortigen Asylverfahren den europäischen Mindestanforderungen entsprechen und Abschiebungen in andere nicht sichere Drittstaaten oder Rückführungen in das Herkunftsland des Schutzsuchenden unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ausgeschlossen sind. Nach den Feststellungen des Europäischen Kommissars für Menschenrechte bestehen jedenfalls hinsichtlich Serbien erhebliche Zweifel daran, dass das dortige Asylverfahren den europäischen Mindestanforderungen entspricht […].